Max Schrems ruft zu einer Sammelklage gegen Facebook.

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Facebook wollte die Klage gegenüber dem WebStandard nicht kommentieren.

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Seit fast drei Jahren gehen Max Schrems und der von ihm gegründete Verein europe-v-facebook.org vor der Datenschutzbehörde in Irland gegen das größte soziale Netzwerk vor. Da das Verfahren jedoch ins Stocken geraten ist, will Schrems den Schwerpunkt der Aktivitäten nun nach Österreich verlagern. Vor dem Handelsgericht Wien hat er eine umfangreiche Zivilklage gegen die irische Tochter Facebook Ireland Ltd. eingereicht, der sich auch weitere Betroffene anschließen können.

Innerhalb weniger Stunden haben sich 1.000 Mitstreiter gefunden, sagt Schrems am Freitagnachmittag zum WebStandard.

Unterlassungsansprüche und Schadenersatz

"Unser Ziel ist es zu erreichen, dass Facebook im Bereich Datenschutz endlich rechtskonform agiert", so Schrems. Neben datenschutzrechtlichen Unterlassungsansprüchen soll auch Schadenersatz geltend gemacht werden. Dieser ist mit 500 Euro pro Nutzer jedoch bewusst gering angesetzt worden. "Wir wollten keine Klage machen, wo es primär ums Geld geht. (...) Uns ist wichtig, dass sich inhaltlich etwas verändert", erklärt Schrems. Er ruft nun weitere Facebook-Nutzer auf, sich der Klage anzuschließen. "Mit jedem zusätzlichen Teilnehmer steigt der Druck auf Facebook", so der Datenschützer. Zwar sieht das österreichische Recht keine Sammelklage vor, andere Personen können ihre finanziellen Ansprüche aber an den Hauptkläger abtreten.

"Sammelklage österreichischer Prägung"

Die Teilnehmer müssen sich jedoch aktiv dafür melden. Eigens dafür wurde unter FBclaim.com eine Webseite eingerichtet, bei der sich Facebook-Mitglieder an die "Sammelklage österreichischer Prägung" anschließen können. Teilnehmen können alle volljährigen privaten Facebook-Nutzer, die einen Vertrag mit der irischen Tochter Facebook Ireland Ltd. abgeschlossen haben – also alle Mitglieder des sozialen Netzwerks außerhalb Kanadas und der USA. Finanzielles Risiko gebe es für die Teilnehmer der Klage keines, heißt es auf der Webseite.

Unterschrift nicht notwendig

Interessierte Nutzer können ihre finanziellen Ansprüche theoretisch bis zum letzten Verhandlungstag an Schrems abtreten, eine fixe Frist gibt es nicht. Facebook-Nutzer müssen lediglich ihre Daten auf der Webseite eingeben, sich mit ihrem Facebook-Konto verifizieren und eine Ausweiskopie bzw. ein Ausweisfoto hochladen. Eine Unterschrift ist laut Schrems nicht notwendig, da eine Abtretung der Ansprüche nach österreichischem Recht formfrei sei.

500 Euro Schadenersatz pro Teilnehmer

Die Schadenersatzforderung wurde mit symbolischen 500 Euro pro Teilnehmer angesetzt. "Wir klagen nur eine kleine Summe, weil es uns vor allem um ordentlichen Datenschutz geht, aber bei vielen Tausend Teilnehmern würden wir eine Summe erreichen, die Facebook spürt", so Schrems. Er selbst organisiert und betreibt die Klage unentgeltlich. Die Finanzierung der Klage erfolgt durch einen Prozessfinanzierer, der im Erfolgsfall 20 Prozent der Schadenersatzsumme als Honorar erhält. Der Rest wird nach Abzug der Kosten zu gleichen Teilen an die Teilnehmer der Klage überwiesen.

EU-Datenschutzrecht trifft auf US-Schadenersatzrecht

Die Klage beruht auf verschiedenen laut Schrems unrechtmäßigen Handlungen von Facebook Irland. Gegenstand der Klage sind unter anderem die Datenverwendungsrichtlinien, die nach EU-Recht ungültig seien, fehlende Zustimmungen zu vielen Arten der Datenverwendung, das Tracking von Internetnutzern auf Webseiten über den "Gefällt mir"-Button und auch die Teilnahme Facebooks am NSA-Überwachungsprogramm PRISM. Das Interessante an der Situation sei, dass neben europäischem Datenschutzrecht auch US-Schadenersatzrecht anzuwenden sei, so Schrems. Und das stört ihn auch gar nicht: "Schadenersatzrecht ist in den USA leichter gestrickt, und man bekommt einfacher einen Anspruch."

Facebook soll nicht "gekillt werden"

"Das, was Facebook macht, ist, laufend europäisches und österreichisches Datenschutzrecht zu brechen", so Dr. Wolfram Proksch, Anwalt von Max Schrems. Und es sei der gesetzlich vorgesehene Weg, dass Verbraucher in der EU Unternehmen anderer Mitgliedstaaten im eigenen Land klagen können – und das österreichische Gericht fremdes Recht aus den USA oder Irland anzuwenden habe. Es gehe laut Proksch aber nicht darum, Facebook zu "killen". Schrems und er seien aber überzeugt, "dass ein soziales Netzwerk so betrieben werden kann, dass es grundrechtskonform ist".

"Beitragstäter"

Schrems erklärt außerdem, dass man sich bewusst dafür entschieden habe, etwa bei PRISM gegen die "Beitragstäter", also US-Unternehmen wie Facebook mit Niederlassungen in Europa, vorzugehen und nicht direkt gegen die NSA. "Diese bieten den einzigen Angriffspunkt, bei dem man realistisch eine Chance hat", so Schrems. Direkt gegen einen anderen Staat könne er bilateral sowieso nicht klagen.

Politischer Druck in Irland

Das laufende Verfahren gegen Facebook vor der Datenschutzbehörde in Irland, das bereits seit fast drei Jahren läuft, scheitert laut Schrems womöglich am politischen Druck. Seiner Erfahrung nach wollen die irischen Behörden einfach nichts unternehmen. "Anfangs hatten wir große Fortschritte in Irland", so Schrems. "Mit der Zeit wurde jedoch klar, dass die irische Behörde kein Interesse hatte, substanzielle Änderungen durchzusetzen. (...) Viele Stimmen in Irland sagen, das liegt am politischen Druck, die in Irland sehr wichtige IT-Industrie nicht zu vertreiben – dieses Problem sollten wir in Österreich nicht haben." (wen, derStandard.at, 1.8.2014)