Sunless Sea

Early Access für Windows, Mac - 19,99€

Foto: Failbetter Games
Screenshot: Sunless Sea
Screenshot: Sunless Sea
Screenshot: Sunless Sea
Screenshot: Sunless Sea
Artwork: Failbetter Games

Aliens bekämpfen, Orks metzeln, Gangster und Terroristen jagen: schade, dass in Spielen, einem Medium, das zur Darstellung des Banal-Alltäglichen und des Absurd-Wunderbaren denselben Aufwand betreiben muss, nicht häufiger wild wuchernde Fantasie zum Staunen anregt. Wie wäre es zur Abwechslung mal mit einem Setting, das man so aber überhaupt noch nie gekannt hat?

"Sunless Sea" von Failbetter Games, nach erfolgreichem Kickstarter seit kurzem als Early-Access-Titel verfügbar, schafft das Erstaunliche: Es überrascht seine Spieler mit einer Welt, wie sie zuvor noch niemand gesehen hat.

Segel setzen in der "Unterzee"

Oder eigentlich: fast niemand. "Fallen London", das Free-2-Play Browser-Adventure der britischen Entwickler, teilt sich mit seinem jüngeren Bruder so einiges an DNA und spielt in derselben Welt wie “Sunless Sea”. Und diese Welt ist dunkel: Die "Unterzee" ist ein riesiger unterirdischer Ozean, dessen endlose Weiten die Spieler wie dazumals in "Sid Meier’s Pirates!" Stück für Stück erforschen.

In diesen lichtlosen Tiefen begegnen die Spieler mit klapprigem Schiff und zaghafter Crew unterschiedlichsten Herausforderungen: Zahllose Meeresungeheuer gehören dabei ebenso zu den täglichen Herausforderungen wie das Management von Essen, Treibstoff und geistiger Gesundheit. Wer sich weit entfernt vom rettenden Hafen plötzlich ohne Proviant wiederfindet, muss auch schon mal die Crew anknabbern - und angesichts der Schrecken der unterirdischen See verliert so mancher Kapitän den Verstand.

Fantastische Welt, schwarzer Humor

In Echtzeit steuert man sein Schiff von Hafen zu Hafen, treibt Handel - unter anderem mit leicht beleidigten toten Gruftkolonisten, Seelen oder Tee -, betreibt Spionage oder erforscht die unterirdische Flora und Fauna. In rundenbasierten Kämpfen kommen aufrüstbare Waffen und - besonders wichtig - Lichtquellen zum Einsatz. Als Währung in dieser dunklen Welt dienen "Geheimnisse", und je nach Inventar eröffnen sich in den weit verstreuten Kolonien unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten - wer im Heimathafen, dem in die Unterwelt versunkenen "gefallenen London", etwa die neuesten Gerüchte aufgeschnappt hat, kommt damit weit draußen an den Rändern der Unterzee leichter mit den misstrauischen Bewohnern der Korallenriffe ins Geschäft oder entlockt ihnen wertvolle Hinweise auf versteckte Schätze.

Alexis Kennedy

Kernstück des Spiels sind die vom textlastigen Browser-Vorgänger bekannten "Storylets", kleine Story-Fragmente, die sich im Spielverlauf zu zunehmend epischer werdenden Handlungssträngen zusammenknüpfen lassen. In diesen cleveren Story-Nuggets, aber auch in der gesamten Atmosphäre, zeigt sich die große Qualität von "Sunless Sea": Alle Hintergrundinformationen, sämtliche Handlungsteile und die ganze unterirdische Welt überzeugen durch fantasievolle, ausgefallene Beschreibung und überraschen durch ihre Exotik ebenso wie durch ihren Humor.

“Fallen London” und “Sunless Sea” zeigen eine viktorianische, von New Weird und Steampunk beeinflusste Welt in der Tradition von Jules Verne, aber auch H. P. Lovecraft und Edgar Rice Burroughs, die vor allem durch grimmig schwarzen Humor überzeugt. "Sunless Sea" ist somit schon jetzt ein Spiel für all jene, die Freude am Entdecken und an außergewöhnlichen Geschichten und fantastischer Atmosphäre haben - sie erfreut das wunderschön geschriebene, literarische Spiel mit immer neuen Einfällen. "Sunless Sea" ist in gewisser Weise ein Spiel für Leser, das - wie das entfernt verwandte Science-Fiction-Rogue-like "Faster Than Light" - seine eigenen Geschichten und Erlebnisse generiert.

Achtung, Baustelle!

Als Early-Access-Titel lässt "Sunless Sea" momentan schon sein großes Potenzial erahnen, doch bis zum geplanten Release im September sind noch einige Baustellen fertigzustellen: Aktuell müssen sich Spieler etwa mit einer einzigen statischen Welt begnügen, später sollen durch prozedurale Generierung immer neue Kombinationen das Spielerlebnis abwechslungsreich halten. Auch die Kämpfe sind momentan noch eher repetitive Pflichtübungen, und in den entfernteren Meeresgegenden begegnen den Alpha-Erforschern sogar noch Platzhalter statt besonders exotischer Seeungeheuer.

Was im Moment allerdings den Spaß an dieser außergewöhnlich fantasievoll gestalteten Welt am meisten trübt, ist die vor allem bei höheren Auflösungen augenunfreundliche Winzigkeit der Schriftgröße - ein gerade angesichts großer Textmengen kritisches Problem, das die Entwickler jedoch in einem der nächsten Updates beheben wollen. Die stimmungsvolle Grafik, der schaurig-schöne Soundtrack und vor allem die einzigartig fantasievolle Welt voller Geschichten und schräger Abenteuer rechtfertigen aber auch schon jetzt den Besuch der unterirdischen Meere. (Rainer Sigl, derStandard.at, 3.8.2014)