Ventilatoren drücken die schwüle Garagenluft in den Raum, Fenster gibt es keine. In einer Zelle sind zeitweise bis zu 70 Frauen untergebracht, deren Aufenthaltsrecht ungeklärt ist.

Foto: Caritas

Oben staut sich der Verkehr der Millionenmetropole Beirut. Ein paar Meter unter der Erde drängen sich an der gleichen Stelle bis zu 700 Menschen unter der Autobahnbrücke: In der ehemaligen Tiefgarage befindet sich das Schubhaftgefängnis des Libanon. Hier ist Endstation für viele der rund 200.000 Arbeitsmigranten im Land.

In elf Käfigen mit jeweils 20 Quadratmetern drängen sich dutzende Frauen und Männer. Die meisten von ihnen sind aus Asien oder Afrika in den Libanon gekommen, um als Haushaltshilfen und Bauarbeiter zu arbeiten.

Reisepass am Flughafen abgeben

Die Frauen kommen meist aus Bangladesch, Nepal, Äthiopien oder den Philippinen, die Männer aus Indien oder Ägypten. Früher mussten sie direkt nach der Ankunft am Flughafen ihre Reisepässe einem Beamten aushändigen, zumindest dieses Vorgehen ist auf Druck der Caritas geändert worden. "Das ändert nicht viel, jetzt ist es eben der Arbeitgeber, der ihnen die Pässe abnimmt", sagt Stefan Maier, Nahost-Koordinator der Caritas.

Sie ist die einzige Hilfsorganisation, die Zugang zu dem Gefängnis hat. Ein wahrer Boom hat sich in den vergangenen Jahren entwickelt: Rund 600 Vermittlungsagenturen sind es schon, die mit dem Versprechen auf ein besseres Leben in den Libanon locken.

Zwischen 150 und 250 US-Dollar kostet eine solche Haushaltshilfe im Monat. So wenig, dass sich immer mehr Libanesen der Mittelschicht eine Arbeitskraft gönnen. "Überspitzt gesagt, sind das billige Sklaven", sagt Maier.

Menschenhandel ist ein weltweites Netzwerk

Die Entwicklung im Libanon ist nur ein Beispiel für eine globale und rasant wachsende Industrie: Die Vereinten Nationen haben den 30. Juli erstmals zum Welttag gegen Menschenhandel erklärt, ein "Aufruf zum Handeln", wie es Generalsekretär Ban Ki-Moon in seiner Erklärung schreibt.

Tatsächlich berichten viele der Frauen in Beirut über Essensentzug, Zwangsarbeit, Gewalt und sexuellen Missbrauch. Human Rights Watch schätzt, dass sich jede Woche eine Arbeitsmigrantin im Libanon das Leben nimmt.

Wer vor der Ausbeutung flüchtet, steht oft mit leeren Händen da - der Arbeitgeber hat ja den Reisepass einkassiert und gibt ihn selten ohne Druck wieder raus. Diese Frauen landen dann unter der Autobahnbrücke im Schubhaftgefängnis, bis die Sache geklärt ist.

Aus Angst vor Bombardement 2006 alle amnestiert

Im Libanonkrieg 2006 bombardierte Israel viele Brücken im Land. Die libanesische Regierung hatte Angst, dass auch das provisorische Gefängnis mit hunderten Insassen getroffen werden könnte, und amnestierte die Schubhäftlinge. Die Caritas nahm alle auf und organisierte die Rückreisen in die Heimatländer.

Seither gibt es die Vertrauensbasis, dass zumindest Schwangere, Kranke oder Migrantinnen mit Kindern nicht mehr in Schubhaft kommen, sondern in das Frauenhaus der Caritas. Mehr als 1000 waren es 2013, Tendenz steigend. Ein Gefängnis zu ebener Erde, mit Tageslicht, ist zwar seit Jahren in Planung, "aber das glaube ich erst, wenn ich es sehe", sagt Maier. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 31.7.2014)