Wien - Die Wiener SPÖ hält es durchaus für denkbar, dass die Hauseigentümer für die Kosten des Räumungseinsatzes zur Kasse gebeten werden können. "Wenn sie die Situation bewusst herbeigeführt haben, glaube ich schon, dass der Staat sich hier regressieren kann", sagte der designierte Landesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler.

Es sei zu klären, ob die Besitzer der Immobilie durch die Ansiedlung von Punks damit hätten rechnen müssen, dass es früher oder später zu einer Räumung kommen würde. "Die Frage ist, ob hier fahrlässig, grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt wurde" - also die Eigentümer die Räumung und damit einen Polizeieinsatz provoziert hätten, um das Haus leer zu bekommen, so Niedermühlbichler: "Wenn einer dieser drei Punkte zutrifft, dann glaube ich schon, dass Regressansprüche auch bei derzeitiger Gesetzeslage durchzusetzen sind."

Damit widerspricht der SPÖ-Landesparteisekretär Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die am Dienstag in einer ersten Reaktion gemeint hatte, dass es einer Gesetzesänderung bedürfe, um Geld zurückzuholen. Niedermühlbichler sprach sich dafür aus, das eingehend prüfen zu lassen.

Verwirrung um Regressprüfung

Um eine konkrete Prüfung von Regressforderungen gab es am Mittwoch Verwirrung. Laut Wiener Polizei werde dies vom Justizministerium geprüft. Dort wusste man davon allerdings nichts.

"Der Wiener Polizei wurde vom Justizministerium definitiv bestätigt, dass Regressmöglichkeiten zeitnah geprüft werden", sagte Polizeisprecher Roman Hahslinger der APA. Dem widersprach Dagmar Albegger, die Sprecherin des Justizressorts. "Wir haben weder vom Innenministerium noch von der Wiener Polizei irgendein Schreiben bekommen und auch nicht zugesagt, Regressforderungen zu prüfen", sagte sie der APA.

Bezüglich möglicher Regressforderungen gibt es ohnedies unterschiedliche Rechtsansichten. "Bis jetzt wurde in solchen Fällen noch nie überlegt, ob Regressforderungen anzustellen sind", sagte Hahslinger der APA.

Laut Justizministerium sei für die Prüfung die Finanzprokuratur, die als Anwalt des Staates fungiert, zuständig. Würde das Innenministerium sich entschließen, eine Klage zu erheben, müssten unabhängige Gerichte nach Umständen des Einzelfalls darüber entscheiden. "Das Justizministerium kann der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts durch die Gerichte nicht vorgreifen", hieß es in einer Stellungnahme.

Wie die APA aus anderer Quelle erfuhr, könne die Wiener Polizei versuchen, sich an der Justiz schadlos zu halten. Der eigentliche Akteur bei der Hausräumung sei schließlich der Gerichtsvollzieher gewesen, die Polizei hatte für ihn einen Assistenzeinsatz geleistet. Daher müsse die Wiener Polizei ihre Kosten der Justiz, die die zuständige Behörde für Gerichtsvollzieher ist, verrechnen.

Laut Andreas Konecny, Professor für Zivilrecht an der Rechtswissenschaftliche Fakultät der Uni Wien, müsse bei einem Exekutionsverfahren zunächst der Eigentümer die Kosten beispielsweise für den Schlüsseldienst oder Möbelwägen übernehmen. Diese könne er dann von seinem Schuldner, im Fall der Mühlfeldgasse 12 sind dies die Hausbesetzer, einfordern, sagte Konecny. Unklarheit herrschte über die Kostenübernahme von Polizeieinsätzen.

Dachgeschoßausbau genehmigt

Die letzte verbliebene Mietpartei könnte indes nach der Räumung der "Pizzeria Anarchia" wieder in das Haus in Wien-Leopoldstadt zurückkehren. Es bestehe immer noch ein aufrechtes Mietverhältnis, hieß es aus dem Büro von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ). Bald könnte zu den bisherigen Widrigkeiten jedoch eine Baustelle dazukommen, ein Dachgeschoßausbau wurde bereits genehmigt.

Der Antrag auf Dachgeschoßausbau inklusive Liftzubau sei im Juli genehmigt worden, sagte ein Sprecher Ludwigs. Einen Zusammenhang mit der Räumung gebe es aber nicht. Denn bei einem solchen Antrag spiele es keine Rolle, ob die Wohnungen vermietet seien oder nicht. Vielmehr sei entscheidend, ob baurechtliche und mietrechtliche Bestimmungen eingehalten werden. Beeinträchtige der baulich notwendige (Innen-)Umbau oder die Sanierung die Mieter zu sehr, liege es nach dem Gesetz beispielsweise in der Verantwortung der Vermieter, ein adäquates Ersatzquartier bereitzustellen.

Die Mieter könnten natürlich in ihre Wohnung in dem vormals besetzten Haus zurückkehren, hieß es. Da man von der bevorstehenden Räumung wusste, befinden sie sich derzeit in einer von der Stadt bereitgestellten Ersatzwohnung. Man stehe auch weiterhin in ständigem Kontakt mit der verbliebenen Partei und biete - wie schon in den Jahren zuvor - etwa Rechtsbeistand.

"Absiedlungsdruck da"

"Natürlich gibt es weiterhin die Möglichkeit, dass sich Vermieter und Mieter einvernehmlich einigen", meinte der Sprecher. Solche Vereinbarungen könnten etwa beinhalten, dass für den Verzicht auf die Mietrechte eine hohe Ablöse gezahlt, eine andere passende Wohnung gefunden und/oder der Umzug finanziert werde. Derzeit sei eine Rückkehr jedoch "vereinbart und geplant".

Vor dem Einschreiten der Stadt und der Ansiedlung der Gruppe von Punks sei es in der Mühlfeldgasse 12 auch zu anderen Unregelmäßigkeiten gekommen: Mieter seien mit Klagen eingedeckt worden, unter anderem wurde Buttersäure im Stiegenhaus versprüht. Zu nachtschlafender Zeit habe es Besuche von Mittelsmännern gegeben: "Der Absiedlungsdruck auf die Bewohner war da", so der Sprecher - deshalb sei die Stadt auch "rigoros und konsequent" eingeschritten und habe etwa die Klagen abgewendet.

In der Mühlfeldgasse haben bereits am Dienstagnachmittag die Aufräumarbeiten begonnen. So wurde unter anderem Müll abtransportiert und Graffiti an den Wänden übermalt.

"Freund-Feind-Wagenburgmentalität"

Die Kritik am massiven Polizeiaufgebot riss auch zwei Tage nach der Räumung nicht ab. Der Einsatz sei "unverhältnismäßig, überzogen, der Aufwand schlichtweg zu hoch" gewesen, sagte Reinhard Kreissl, Leiter des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS) in Wien, der APA.

Er ortet in Wien den Trend zu einer Polizei als "Kampf- und nicht als Friedenstruppe". In den 90er-Jahren seien Polizisten noch in normalen Uniformen bei Räumungen im Einsatz gewesen. "Heute gibt es diese Robocops, hochmilitärisch aufgerüstete Polizeibeamte", sagte Kreissl. Ausrüstung und Orientierung der Polizei gingen in Richtung eines Bürgerkriegsszenarios. "Es herrscht eine Freund-Feind-Wagenburgmentalität bei der Polizei, sie rechnet immer mit dem Worst Case und ist nicht imstande, Probleme anders zu sehen als als einen Angriff von Feinden."

In Wien sei das Grundproblem, dass die Polizei den Kontakt zur Stadt verloren habe. Dass es auch Tage nach der Räumung, bei der 19 Aktivisten festgenommen und nach der Einvernahme auf freiem Fuß angezeigt wurden, keine genauen Zahlen zu den Einsatzkräften und Kosten gibt, kritisierte Kreissl. Kolportiert wurden 1.700 Beamten, die Polizei bestätige "sicher nicht weniger als 1.000". Auch dieses Prinzip der Geheimniskrämerei sei in diesem Ausmaß Wien-typisch. "Dabei handelt es sich um keine Informationen, die Ermittlungen gefährden würden", so Kreissl. Das sei ein "strahlendes Dokument von einer inkompetenten
Öffentlichkeitsarbeit der Wiener Polizei". Diese hatte auf eine parlamentarische Anfrage verwiesen, in der konkrete Zahlen bekanntgegeben werden sollten.

Kritik äußerte Kreissl auch daran, dass Medienvertreter teilweise nicht zugelassen oder weggescheucht wurden. "Wir sind hier nicht in der Ostukraine", so Kreissl. "Die Polizei sollte vielmehr ttransparent, öffentlich und bürgernah sein." (APA/red, derStandard.at, 30.7.2014)