Die absolut desolateste Wohnbausubstanz gab es in Osteuropa (Sowjetunion inklusive), nachdem dort der "real existierende Sozialismus" nach 1945 sein segensreiches Wirken entfalten konnte. Es gab kein Privateigentum, und die staatlichen Mieten waren niedrig; mit dem Erfolg, dass die Städte verfielen.

In Österreich, vor allem in Wien, gab es für Altbauten mäßiger, aber auch höherer Qualität jahrzehntelang künstlich niedrig gehaltene, praktisch unkündbare Mieten. Mit dem Ergebnis, dass Wiens alte Bausubstanz verfiel. Erst die Einführung eines "Erhaltungsbeitrags" verbesserte die Situation. In den vergangenen Jahren ist Immobilienbesitz wegen der Finanzkrise als relativ sichere Anlageform viel beliebter geworden. Die (wachsende) Mittelschicht kauft statt Investmentfonds Wohnungen (für die Kinder oder um sie zu vermieten).

Dieser Trend ist jetzt schon bei den weniger qualitätsvollen Häusern aus der Gründerzeit ("Zinskasernen") in weniger attraktiven Bezirken angelangt. Jüngere Besserverdiener, oft aus den kreativen Berufen, zogen zu. Zwiespältiger Effekt: Bausubstanz und Stadtbild werden eindeutig besser, aber Altmieter werden oft hinausgedrängt.

Schuld daran sind nicht nur skrupellose "Immo-Haie", sondern paradoxerweise auch das immer noch sehr stark restriktive Mietrecht. Nicht nur sind die gesetzlichen Mieten für "Altmieter" mit Verträgen aus dem Jahre Schnee in Altbauten teilweise völlig unangemessen (niedrig), auch eine Reihe weiterer Einschränkungen macht Vermieten problematisch. Das berühmte "Eintrittsrecht" naher Verwandter in den alten Mietvertrag kann dazu führen, dass 55-jährige Kinder in der Wohnung einer alten Dame angemeldet werden und nach dem Ableben für weitere Jahrzehnte in den günstigen Mietvertrag eintreten. Es werden zahlreiche Wohnungen mit "unbefristeten Verträgen" zum Kauf angeboten - eine Spekulation, die nur bei Ableben der Mieter in absehbarer Zeit aufgeht. Oder: Zahlt ein Mieter jahrelang die Miete nicht, bleibt nur die Räumungsklage, die Jahre dauern kann. Und so weiter.

In dieser Situation setzen robuste "Immobilienentwickler" an. Sie kaufen Hausbesitzern, die keinen angemessenen Ertrag aus ihrer Immobilie erzielen können, die Häuser ab und bringen die Altmieter entweder mit Geldangeboten, Ersatzwohnungen oder - wie offenbar beim aktuellen Fall - mit üblen Methoden zum Ausziehen. Dann renovieren und modernisieren sie und bieten die (oft zusammengelegten) Wohnungen zum Kauf an.

Grundsätzlich ist das legitim. Grundsätzlich ist eine Wohnung eine zwar besondere und geschützte, aber doch eine Ware (so wie Lebensmittel). Werden jedoch üble Methoden angewandt, muss man sich überlegen, wie das einzudämmen ist.

Was tun? Den Markt bei Wohnungsmieten völlig auszuschalten oder auch Mieten starr zu begrenzen, wie dies Linke und Grüne verlangen, führt ins Modell Ostblock. Es wird nichts anderes übrig bleiben, als das völlig unübersichtliche und vor allem völlig ungerechte Mietrecht mit seinen unterschiedlichen Mieten für gleichwertige Wohnungen drastisch zu vereinfachen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 30.7.2014)