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Foto: EPA/YURI KOCHETKOV

Wien - Die Europäische Union schaltet auf Stufe drei und verschärft ihre Sanktionen gegen Russland mit den bisher härtesten Maßnahmen. Hintergrund ist der Absturz der Passagiermaschine der Malaysia Airlines über dem Osten der Ukraine, der laut Washington und Kiew durch eine Raketenattacke prorussischer Separatisten herbeigeführt wurde. Mit den Sanktionen will die EU Russland dazu bringen, die Separatisten in der Ostukraine nicht mehr zu unterstützen. Wie genau sich die Sanktionen auswirken werden, sei noch nicht klar, sagt Markus Scheiblecker vom Wifo: "Man weiß auch nicht, wie Russland reagieren wird."

Erschwerter Zugang für russische Banken zum europäischen Kapitalmarkt, Ausfuhrstopp für Waffen, Hochtechnologieprodukte und Spezialanlagen zur Ölförderung - so viel ist bekannt, mehr Details dazu aber noch nicht. Noch am Dienstag soll es Einigkeit unter den Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Länder darüber gegeben haben, am Mittwoch soll der formale Beschluss folgen.

Die EU-Kommission taxiert die Auswirkungen für Russland auf fast 100 Milliarden Euro bis 2015. Die EU-Staaten dürften die Maßnahmen heuer vierzig Milliarden und 2015 fünfzig Milliarden Euro kosten. Insgesamt exportierte die EU 2013 Waren im Wert von 120 Milliarden Euro nach Russland. 36 Milliarden kamen aus Deutschland, 3,5 Milliarden aus Österreich.

Wirtschaft bangt

Die heimische Wirtschaft jedenfalls fürchtet sich schon vor den Auswirkungen anstehender Sanktionen. Für Scheiblecker nicht ganz verständlich, so wichtig sei Russland für die österreichische Wirtschaft nicht, sagt er. Mit einem Importanteil von 2,5 Prozent und einem Exportanteil von 2,8 Prozent liegt Russland auf Platz zehn der wichtigsten Handelspartner Österreichs.

Realwirtschaftlich habe Österreich andere Sorgen, zum Beispiel in den wesentlich größeren Exportmärkten USA oder Asien. Aber: "Auch Kleinvieh macht Mist", sagt Scheiblecker. Komme jetzt noch Russland als Problemmarkt dazu, befürchtet er vor allem, dass sich die Stimmung in der heimischen Wirtschaft wieder verschlechtert. Unsicherheit drücke auf die Investitions- und Konsumlaune. Außerdem wirke sie sich auch ungünstig auf Direktexporte aus.

Anfragen von Firmen

Dietmar Fellner, Außenhandelsdelegierter der Wirtschaftskammer in Moskau, ist derzeit mit zahlreichen Anfragen von heimischen Unternehmen mit Russland-Aktivitäten konfrontiert. Die Unsicherheit unter heimischen Firmen sei groß. Sehr viel Konkretes sagen könne man ihnen derzeit aber nicht. Dass Wirtschaftssanktionen beide Seiten treffen würden, davon ist auch Fellner überzeugt. "Auch wenn man das genaue Ausmaß nicht abschätzen kann, aber natürlich betrifft das nicht nur russische Firmen. Wir liefern zum Beispiel Hochtechnologie für Maschinen nach Russland. Ich halte das für eine ernstzunehmende Bedrohung."

Besondere Sorgen bereiten ihm derzeit die geplanten Sanktionen im Finanzsektor. "Wenn die staatlichen Banken ihre Transaktionen Richtung Europa nicht mehr durchführen dürfen, müssen Russland-Kunden auf andere Banken umsteigen. Da weiß ich nicht, wie einfach das ist. Und sollte den Großbanken tatsächlich der Zugang zum europäischen Kapital- und Geldmarkt beschnitten werden, wäre das ein ernstzunehmendes Problem, weil die sich ja auch refinanzieren müssen."

Mehrere Wege

Den Weg zum europäischen Kapital- und Finanzmarkt könne die EU auf mehrere Arten erschweren, sagt Scheiblecker. So könnte die EU zum Beispiel verbieten, dass russische Unternehmen an die Börse gehen, oder sie vom Handel aussetzen bis hin zum Delisting. Oder die Aufnahme von Finanzmitteln am europäischen Finanzmarkt verweigern, was die Zinsen in Russland steigen lassen würde. Oder keine Kredite an russische Unternehmen mehr vergeben. Laut Scheiblecker hätten solche Maßnahmen von heute auf morgen einen Effekt in Russland, Kredite würden teurer, generell würden die Kosten für die Refinanzierung steigen.

Am kommenden Freitag könnte es jedenfalls so weit sein. Dann sollten die verschärften Sanktionen gegen Russland in Kraft treten. (rebu/roda, derStandard.at, 29.7.2014)