Tore zu in Traiskirchen.

Traiskirchen/Wien - In der Asyl-Erstaufnahmestelle Traiskirchen gilt ab Mittwoch ein Aufnahmestopp. Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) sagte am Dienstag dem STANDARD, er habe der Bezirkshauptmannschaft Baden am Vormittag den Auftrag erteilt, einen entsprechenden gewerberechtlichen Bescheid zuzustellen. Die Maßnahme ziele darauf ab, keine weiteren Asylwerber aufzunehmen sowie die Belagszahl in Traiskirchen zu senken.

Pröll sprach von einem "Akt der Notwehr" aus menschlichen und sicherheitstechnischen Beweggründen. Einerseits sei die Erstaufnahmestelle Traiskirchen mit aktuell 1.402 Menschen dreifach überbelegt. Unter den Asylwerbern seien rund 40 Prozent Syrer, die zum Teil schwer traumatisiert seien. Ihre Unterbringung in Traiskirchen unter den gegebenen Umständen, wenn das Lager eigentlich für 480 Personen konzipiert sei, sei "unzumutbar". Pröll wies auch darauf hin, dass diese Überbelegung auch für die Bevölkerung der Stadt eine Belastung sei. Pröll mahnte Solidarität ein.

Was sicherheitstechnische Gründe angehe, sagte der Landeshauptmann, es sei "weder dem Bürgermeister noch der Behörde noch mir zumutbar, zuzusehen, wenn dort eine Katastrophe passiert". Den Aufnahmestopp zu verordnen sei daher "notwendig" gewesen - und komme auch "nicht überfallsartig". Er, Pröll, habe ja bereits am 25. Juni angekündigt, einen Aufnahmestopp ins Auge zu fassen. Seither habe sich die Situation nur "verschärft".

Notfallplan wird vorbereitet

Bevor der niederösterreichische Landeshauptmann den angedrohten Aufnahmestopp beschlossen hatte, zeigte sich Mikl-Leitner angesichts der Drohung abwartend: Sollte es dazu kommen, werde man sich das anschauen und "dementsprechende Maßnahmen setzen".

Nach einer Krisensitzung wies sie auf einen Notfallplan hin, der am Mittwoch stehen soll und die Unterbringung von Akutfällen regeln wird. "Wir haben eine dramatische Situation", sagte sie. In Traiskirchen könne mit knapp 1.400 Personen keine "menschliche und humane Betreuung mehr garantiert werden". Sie machte einmal mehr Druck auf Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ), leer stehende Kasernen zur Verfügung zu stellen. Sie hoffe, dass Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) auf ihn einwirken werde. Auch die Bundesländer müssten noch größere Kraftanstrengungen leisten, sagte Mikl-Leitner.

Sie werde nun alle Optionen prüfen, um Notquartiere "so schnell wie möglich auf die Beine zu stellen". Und dafür etwa auch mit der Kirche, Caritas und Diakonie sprechen. Für die Reaktion Niederösterreichs, einen Aufnahmestopp zu verhängen, zeigte sie "Verständnis".

Bürgermeister begrüßt Maßnahme

Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) begrüßte die "Sofortmaßnahme" des Landeshauptmannes, einen Aufnahmestopp im Flüchtlingslager zu setzen. Es freue ihn, dass er als Stadtchef in den vergangenen Monaten "in der Diskussion um den Umgang mit Flüchtlingen in der Republik grundsätzlich etwas in Gang gebracht habe" und Pröll "bezüglich der unhaltbaren Zustände im Massenlager Traiskirchen aktiv geworden ist".

"Wichtig ist es jetzt, eine radikale Neuordnung der Flüchtlingspolitik umzusetzen", so Babler in einer Aussendung. Diese müsse auf ein neues Aufteilungs- und Betreuungsgesetz aufbauen, das u. a. eine maximale Größe von 150 Asylwerbern in einer Kommune vorsehe. Bürgermeister müssten überdies Rechtssicherheit haben, dass Vereinbarungen nicht - wie in Traiskirchen - über eine Hintertür "permanent gebrochen" würden. Auch eine Erhöhung der Gelder für die Flüchtlingsbetreuung sei unbedingt notwendig.

Faymann sieht die Länder gefordert

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sieht im Asyl-Streit weiterhin die säumigen Bundesländer gefordert. Zwar räumte er auf Kritik von Erwin Pröll ein, als Regierungschef selbst "immer" gefordert zu sein, wenn sich sechs Bundesländer aber nicht an die vereinbarten Quoten halten, unterstütze er die Innenministerin.

Faymann zeigte im Ö1-"Mittagsjournal" am Dienstag Verständnis für der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ): Es könne nicht sein, dass das Erstaufnahmezentrum in der Gemeinde überbelegt ist, weil andere Bundesländer ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Sechs Länder würden sich nicht an die Vereinbarung zur Unterbringung von Asylwerbern halten. Die Innenministerin spreche daher mit den säumigen Ländern.

Konkrete Pläne zur Kasernennutzung

In die Debatte um die Nutzung von Kasernen als Ersatzeinrichtung zur Unterbringung von Asylwerbern kam abseits vom Aufnahmestopp Bewegung. Mikl-Leitner drängte auf die Nutzung eines leerstehenden Gebäudeteils in der Kaserne Ebelsberg in Oberösterreich, um das Asylzentrum Traiskirchen vorübergehend zu entlasten.

Sie habe Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) den Vorschlag der Nutzung der Kaserne Ebelsberg gestern unterbreitet, sagte Mikl-Leitner am Dienstag zur APA. Dies wäre eine "humane Lösung", mit der auch der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) einverstanden sei. Klug wolle allerdings, dass das Innenministerium für die Nutzung der Kaserne zahlt, was Mikl-Leitner ablehnt. "Der Verteidigungsminister hat vorgesehen, dass dafür Steuergeld gezahlt werden soll, obwohl diese im Eigentum der Republik und somit der Steuerzahler steht", kritisierte sie.

Sie werde den Ressortchef am Dienstag "auf alle Fälle kontaktieren" und weiter darauf drängen, dass er "dieser vernünftigen Lösung zustimmt", betonte Mikl-Leitner. Sie gehe davon aus, dass es sich um 70 bis 100 Betreuungsplätze handle, die in der Kaserne geschaffen werden könnten. "Wir brauchen eine sofortige Entlastung von Traiskirchen, deshalb auch mein Vorschlag, die Kaserne vorübergehend zu nutzen, um Kriegsflüchtlinge aus Syrien und anderen Krisenherden unterzubringen."

Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) wiederum weist das Drängen der Innenministerin auf Nutzung eines leer stehenden Gebäudeteils in der Kaserne Ebelsberg zurück. Das teilte er in einer Presseaussendung am Dienstag mit.

Der Bürgermeister betonte, Linz nehme bereits jetzt seine humanitäre Pflicht wahr und betreue rund 800 grundversorgte Asylwerber. Die Verantwortung, Unterkünfte für hilfsbedürftige Fremde zu schaffen, könne nicht nur auf einzelne Kommunen abgewälzt werden. Linz rechnet nach einem entsprechenden Ministerratsbeschlusses fix mit einem Verkauf der Kaserne, der ein mehr als 160.000 Quadratmeter großes Areal für einen neuen Stadtteil bringen sollte.

Oberösterreich sagt zu

Die oberösterreichische Soziallandesrätin Gertraud Jahn (SPÖ) hat indessen die Erfüllung der vereinbarten Quote zur Unterbringung von Asylwerbern per Ende August / Anfang September zugesagt. Denn rund 200 weitere Plätze seien bereits fix, erklärte sie auf APA-Anfrage am Dienstag.

Im Juli habe man in Oberösterreich 81 zusätzliche aufgetrieben, diese würden derzeit gerade belegt. Bis Ende August stünden weitere 120 zur Verfügung, rechnete die Landesrätin vor. Es gehe also nur um einen Monat, der zu überbrücken sei. Sie bemühe sich zusätzlich auch um Übergangsquartiere. Alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten würden geprüft. "Wir nehmen unsere Verantwortung sehr wahr und tun, was wir können", stellte Jahn fest. Doch auch nach einer Zusage könnten die Quartiere nicht schon am nächsten Tag bezogen werden. Es müsse der Mietvertrag unterschrieben werden, meist seien auch kleinere Infrastrukturarbeiten notwendig, beispielsweise Ausmalen.

Zwei Kasernen im Burgenland

Im Burgenland stehen aktuell zwei Kasernen des Bundesheeres zum Verkauf, erklärte eine Sprecherin der mit dem Verkauf betrauten SIVBEG (Strategische Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und EntwicklungsgesmbH). Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) erteilte den Überlegungen der Innenministerin für sein Bundesland allerdings eine "klare und unmissverständliche Absage".

Aktuell zum Verkauf angeboten werden die Sporck-Kaserne in Oberwart und die Turba-Kaserne in Pinkafeld, beide befinden sich im Südburgenland. Für die Turba-Kaserne mit einer Grundfläche von knapp 48.000 Quadratmetern beträgt der Mindestkaufpreis 1,93 Mio. Euro, geht aus den Unterlagen der SIVBEG hervor. Laut Angaben des Verteidigungsministeriums könnten hier rund 200 Personen untergebracht werden. Die Angebotsfrist für diese Liegenschaft läuft per 8. August aus.

In der kleineren Sporck-Kaserne mit rund 7.200 Quadratmetern Grundstücksfläche sind mindestens 910.000 Euro zu berappen. Bis Ende der Angebotsfrist im Mai war allerdings niemand bereit, den Mindestkaufpreis zu zahlen, die beiden Interessenten sprangen wieder ab, hieß es gegenüber der APA. Die Kaserne ist nun ohne Frist ausgeschrieben, mit dem ersten Bieter werden sofort Verkaufsverhandlungen aufgenommen. Auch hier könnten laut Ministerium etwa 200 Personen wohnen. Diese Zahlenangaben basieren auf der bisherigen Belegung mit Soldaten.

"Mustergültig" erfüllt

Das Burgenland erfülle seine Unterbringungsquote mit knapp 99 Prozent "mustergültig", betonte Niessl in seiner Absage: "Zur Unterbringung von Asylwerbern in burgenländischen Kasernen wird es vonseiten des Burgenlandes keine Zustimmung geben", erklärte Niessl. Das Innenministerium müsse bei der Suche nach einer Lösung für das überfüllte Erstaufnahmezentrum Traiskirchen jene Bundesländer in die Pflicht nehmen, die bei der Umsetzung der 15a-Vereinbarung mit dem Bund säumig sind, forderte der Landeshauptmann.

Niessl meinte, er habe Verständnis für die Forderung nach einer Entlastung Traiskirchens. Eine Lösung zulasten des Burgenlandes würde jedoch den Bruch der Bund-Länder-Vereinbarung bedeuten, kritisierte er und forderte Sanktionen für die säumigen Länder.

Derzeit ebenfalls noch ausgeschrieben ist der Fliegerhorst Nittner in Graz. Er verfügt laut SIVBEG über große Flächen inklusive Wald und Flugzeughangar. Laut Verteidigungsressort wäre die Unterbringung von 50 Personen möglich. Im ersten, nicht erfolgreichen Verfahren galt ein Mindestgebot von 10,5 Mio. Euro. Im neuen Verfahren mit Frist 5. Juni meldeten sich dann mehrere Interessenten, wovon drei zu Verkaufsverhandlungen eingeladen wurden. Die Preisvorstellung von rund 8 Mio. Euro ließ jedoch alle drei absagen. Der Fliegerhorst wurde nun ohne Angebotsfrist ausgeschrieben.

Niederösterreich, Salzburg, Vorarlberg

Noch in diesem Jahr geplant ist die Ausschreibung der Martinek-Kaserne in Baden (Niederösterreich), wo bis zu 900 Personen wohnen könnten. Ebenfalls in Planung, allerdings erst für 2015 ist die Ausschreibung von Teilflächen der Schwarzenberg-Kaserne in Salzburg.

Das Land Salzburg wird die vereinbarte Quote zur Unterbringung von Asylwerbern bis Ende der Woche nicht erfüllen können, räumte die zuständige Landesrätin Martina Berthold (Grüne) am Dienstag ein. Ab Mitte August würden aber weitere Plätze zur Verfügung stehen. Vorarlbergs Landesrat Erich Schwärzler (ÖVP) kündigte an, bis Freitag weitere Plätze bereitzustellen.

"Wir haben mehrere Quartiere in der Pipeline, zum Teil sind die Verträge schon unterschrieben", sagte Berthold zur APA. Fix sei eine Unterkunft für 30 Menschen ab Mitte August in der Landeshauptstadt, ein gleich großes Heim werde dann auch Ende August, Anfang September zur Verfügung stehen. Und in Eben und Hüttau im Pongau werden im September zwölf Menschen einen Platz finden.

Anfang dieser Woche haben in Salzburg rund 40 bis 50 Plätze gefehlt, wenn man weiterhin von der Mindestquote von 88 Prozent ausgeht. Auf eine exakte Zahl wollte man sich in Bertholds Büro wegen der täglichen Änderungen nicht festlegen. Am Montag waren 1.324 Asylwerber in Betreuung.

Vorarlberg kündigte an, bis Freitag weitere Plätze zur Verfügung stellen zu wollen. "Wir haben 934 Asylwerber derzeit im Land. Das heißt, wir haben in den letzten vier Wochen 75 neue Asylwerber aufgenommen und müssen nochmals circa 25 Asylwerber aufnehmen", sagte Landesrat Schwärzler im Ö1-"Morgenjournal". Die Steiermark erfüllt die Quote zu 87,4 Prozent. Zusätzliche Asylquartiere werde es nicht geben, hieß es laut ORF-Radio von Landesrat Siegfried Schrittwieser (SPÖ).

Pröll kritisiert auch Klug und Kanzler

Landeshauptmann Pröll hat am Dienstag nach dem Aufnahmestopp auch seine Kritik an Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) bekräftigt, der Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) angeboten hatte, Kasernen als Unterkunft für Flüchtlinge kaufen zu können. Das seien "bezeichnende Umgangsformen innerhalb der Bundesregierung", sagte er dem STANDARD.

Pröll mahnte auch "die Koordinierungsfunktion des Bundeskanzlers" ein, die dieser zu übernehmen habe. In der niederösterreichischen Landesregierung würde "so eine Umgangsform nicht geduldet". (spri, APA/red, derStandard.at, 29.7.2014)