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Einer der Besetzer wird abgeführt.

Foto: APA/HERBERT P. OCZERET

Wien - Alle 19 Hausbesetzer der "Pizzeria Anarchia" in Wien-Leopoldstadt, die am Montagabend nach einem stundenlangem Polizeieinsatz festgenommen worden waren, sind wieder frei. Das sagte Polizeisprecher Roman Hahslinger am Dienstag der APA. "Sie wurden in der Nacht einvernommen und dann auf freiem Fuß angezeigt." "Rund die Hälfte der Festgenommenen" sind laut Hahslinger deutsche Staatsbürger.

Die 19 Besetzer, 15 Männer und vier Frauen, waren wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und versuchter schwerer Körperverletzung festgenommen worden. Genauere Angaben zu den Festgenommenen machte Hahslinger nicht, dies sei "nicht maßgeblich für die Sache". Ebenfalls wieder in Freiheit waren am Dienstag zwölf Personen, die wegen Verwaltungsübertretungen vor dem besetzten Haus festgenommen worden waren.

Genaue Zahl solle erst erhoben werden

Unklar blieb auch am Dienstag, wie viele Polizisten im Einsatz waren. Die Angaben der Behören variierten zwischen 400 und 1.700. Die Vorbereitungen zur Räumung hatten bereits in den frühen Morgenstunden begonnen. Die kolportierten 1.700 Beamten wurden von der Polizei nicht bestätigt. Hahslinger sprach abwechselnd von "sicher nicht weniger als 1.000" und "400 bis 500 Beamten", die sich vor Ort befunden hätten.

Sowohl die genaue Zahl der Einsatzkräfte als auch die Kosten des von vielen als unverhältnismäßig kritisierten Einsatzes werden "im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage bekanntgegeben", sagte Hahslinger. Die Kosten für den Einsatz seien vom Steuerzahler zu tragen.

Dem Hauseigentümer übergeben

Begründet wird das Großaufgebot von Polizeisprecher Hahslinger damit, dass man auf Spontankundgebungen, Demonstrationen oder weitere Hausbesetzungen während der Räumung vorbereitet sein wollte. Außerdem habe man im Vorfeld Hinweise bekommen, dass schwere Gegenstände wie Ziegelsteine in das besetzte Haus gebracht worden seien.

Für die Polizei sei der Einsatz jedenfalls noch am Montagabend beendet worden. Noch gestern sei das Gebäude vom Gerichtsvollzieher dem Hauseigentümer übergeben worden, sagte Hahslinger. Die Räumung war vom Bezirksgericht Leopoldstadt gerichtlich angeordnet gewesen.

Kritik hält an

Anhaltende Kritik gab es auch nach der Räumung der "Pizzeria Anarchia" in Wien-Leopoldstadt durch ein Großaufgebot der Polizei am Montag. Der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz stellte in einer Aussendung "sieben Fragen zur Aktion Punkpizza" an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), heute, Dienstag, oder morgen soll eine diesbezügliche parlamentarische Anfrage eingebracht werden.

Pilz stellte unter anderem Fragen zu den Kosten, den am Einsatz beteiligten Beamten und wie viele Polizisten auf "einen Punk" kommen. Und: "Werden Sie den beiden Spekulanten, die ihre Besetzer selbst ins Haus geholt haben, die Kosten für den Einsatz in Rechnung stellen?" Mikl-Leitner sagte im Ö1-Mittagsjournal, dass es dem Staat nach jetziger Rechtslage nicht möglich sei, Geld zurückzuholen. Dafür wäre eine Gesetzesänderung notwendig. Roman Hahslinger, Pressesprecher der Wiener Polizei, sagte der APA, dass man mit dem Justizministerium in Kontakt getreten sei, um eventuelle Regressforderungen zu prüfen.

Strache zurückhaltend

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache reagierte auf die Räumung der "Pizzeria Anarchia" am Montag eher zurückhaltend. Am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag erklärte er, man müsse mit rechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn man eine befristete Wohnmöglichkeit habe und nicht ausziehen wolle. Das Vorgehen des Vermieters bezeichnete Strache aber als "unglaublich schäbige Vorgangsweise", man müsse diesen auch zur Verantwortung ziehen.

Auf die Frage, ob er das Polizeiaufgebot für verhältnismäßig halte, meinte Strache, dies könne er nicht beurteilen. Er sei nicht in die Einsatzvorbereitung eingebunden gewesen, er könne sich den Einsatz von kolportierten 1.700 Polizeibeamten nur dadurch erklären, dass die Einsatzleitung wohl mit "störenden Demonstrationen" gerechnet habe.

Massive Kritik an der "Unverhältnismäßigkeit des gestrigen Polizeieinsatzes" gab es von roten Jugendorganisationen. Sie forderten, dass eine Wohnreform durchgeführt und gegen Immobilienspekulanten vorgegangen wird, anstatt "mit Kanonen auf Spatzen zu schießen".

Die Aktivisten hatten die "Pizzeria Anarchia" zweieinhalb Jahre lang besetzt. Zuvor war den Besetzern von den Hauseigentümern selbst angeboten worden, in die Immobilie kostenfrei für sechs Monate einzuziehen, mit dem Ziel, dass die vermeintlichen Störenfriede die letzten Mieter des Hauses gewissermaßen hinausekeln. Dann sollte die Liegenschaft umgebaut und gewinnbringend verwertet werden. Die Neo-Bewohner solidarisierten sich jedoch mit den Stammmietern und blieben nach Ablauf der Halbjahresfrist. (APA/red, derStandard.at, 29.7.2014)