Heute ist das letzte Wochenende vor den letzten drei Drehtagen von "Superwelt“. Vor sieben Wochen haben wir begonnen, diesen Film zu drehen. Irgendwie ist er also fast schon fertig, was das unbehandelte (und in unserem Fall digitale) Material angeht. Aber eigentlich wird ein Film immer unfertiger und unklarer, je mehr von ihm gedreht worden ist. Mit Ende der Dreharbeiten hat man dann eine bestimmte Menge Filmmaterial (Zelluloid, Magnetband oder digitalen Festplatteninhalt).

Und darin befindet sich irgendwo und irgendwie die Geschichte - aber eben nur "irgendwie“ und "irgendwo“. Erst in der Montage (im Schnitt) stößt man auf vermeintliche Spuren und Zeichen, die einem helfen, der Geschichte auf den vermeintlichen Grund zu kommen. Und nicht selten geschieht es, dass die Geschichte sich auf ganz andere Art und Weise entfaltet, als das der Drehbuchautor und Regisseur geplant haben. Das ist dann metaphysisch. Man könnte es auch superweltlich nennen.

Unbeschwerte Ahnungslosigkeit

Bei diesem Film hatte ich von Anfang an dieses seltsame Gefühl - nämlich, keine Ahnung zu haben, was am Ende herauskommen würde. Ich hatte buchstäblich keine Ahnung. Das ist normalerweise kein angenehmer Zustand - jedenfalls nicht für jemanden wie mich. In diesem Fall machte mich die Ahnungslosigkeit jedoch frei und auf eine gewisse Weise unbeschwert. Mir kommt ein alter Spruch in den Sinn, dessen letzte Zeile Johannes Mario Simmel übrigens zum Titel seiner unzähligen Romane gewählt hatte. Er lautet:

"Ich leb und weiß nicht wie lang,

ich sterb und weiß nicht wann,

ich fahr und weiß nicht wohin,

mich wundert, dass ich so fröhlich bin.“

Ja, so kann's gehen. Es kann natürlich auch danebengehen. Ob meine Ahnungslosigkeit und Unbeschwertheit produktive Gefühle waren, werde ich frühestens in drei Monaten wissen, wenn der Film (hoffentlich) fertig geschnitten sein wird. Und vermutlich noch nicht einmal dann. Denn "Superwelt“ ist ein Film, der mindestens genau so sehr über die Tonebene funktionieren wird wie über das Bild (falls er überhaupt funktioniert). Das zumindest weiß ich jetzt schon. Keine Ahnung, ob es Musik geben wird. Aber Geräusche in jeder Qualität und Quantität, Schärfe und Unschärfe, Haptik und Diffusität. Es ist ein Film über das Hören von Dingen und Wesen.

Karl Markovics

Übrigens sei für alle, die diesen Blog nicht nur regelmäßig, sondern auch gerne lesen, gesagt, dass ich beschlossen habe, auch die gesamte Postproduktionsphase von "Superwelt“ mit meinen Kommentaren zu begleiten - vom Schnitt über den Tonschnitt bis zur Mischung und dem Grading.

Schließlich habe ich diesen Blog angeleiert; natürlich auch, um Neugier und vielleicht in weiterer Folge Interesse zu wecken, aber in erster Linie, um jene Inhalte zu transportieren, die normalerweise beim Betrachten eines Films zu kurz kommen oder ausgespart werden. Idealerweise wird mein letzter Blogeintrag am Premierentag von "Superwelt“ erfolgen. Danach gehört der Film ohnedies dem Publikum - und den Kritikern. So viel dazu.

Über den Erfolgsdruck

Und jetzt noch abschließend aus unserer Reihe "Die vermutlich am häufigsten gestellten Fragen" zum Film "Superwelt":

"Herr Markovics, nach dem Erfolg Ihres Erstlings 'Atmen', ist da der Erfolgsdruck nicht besonders hoch?“

"Der Erwartungsdruck ist hoch - hoffentlich. Den Erfolgsdruck im Sinne von: "'Superwelt' muss mindestens so viele Zuschauer, Festivaleinladungen und Preise haben wie 'Atmen'“ gibt es in dieser Form nicht; weder vonseiten meiner Produzenten Dieter und Jakob Pochlatko noch von den Fördergebern und schon gar nicht von mir. Natürlich will man mit jedem Film etwas nie Dagewesenes schaffen, das die Menschen nicht nur innerlich, sondern vor allem einmal in die Kinosäle bewegt. Ein Film ist wie ein Musikstück - wird es nicht gespielt, existiert es nicht. (Karl Markovics, derStandard.at, 29.7.2014)