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Oxford – Auch mehr als ein Jahrzehnt nach dem Ende des Human Genom Projekts gibt es auf der Landkarte unserer Erbsubstanz immer noch große weiße Flecken. Eine der wichtigsten Fragen ist dabei die, wie groß der Anteil der DNA ist, die vermeintlich nutzlos ist – oder vielleicht doch eine noch unbekannte Funktion hat.

Als "funktional" bezeichnen Genetiker jene Teile unserer DNA, welche direkt für die Bildung von Proteinen zuständig sind, die letztlich Form und Funktion eines lebenden Organismus bestimmen. Dafür sind in erster Linie die rund 23.000 Gene zuständig, aber nur einen kleinen Teil des Genoms ausmachen, nach bisherigen Schätzungen rund 5 Prozent. Doch was ist mit dem Rest, der sogenannten "Junk-DNA“?

80 Prozent funktionaler DNA...

Dieser Frage ging das Projekt ENCODE nach, das 2012 im Fachblatt "Nature“ zu Schluss kam, dass über 80 Prozent des menschlichen Genoms irgendeine andere biochemische Funktion haben müssen. Doch diese Studie wurde bald heftig kritisiert, da konkrete Hinweise auf diese Funktionen fehlten.

Nun gingen Forscher um Chris Pointing und Gerton Lunter (Oxford University) mit einer etwas anderen Methode dem Problem der "dunklen Materie“ unserer Erbsubstanz nach. Die Genetiker schauten sich konkret an, wie groß der Anteil der menschlichen DNA ist, der in den vergangenen 100 Millionen Jahren der Säugetier-Evolution kaum Veränderungen akkumulierte. Ihre Annahme: Nur jene Teile der DNA, die für wichtige Funktionen zuständig sind, würden im Laufe der Entwicklungsgeschichte gleich bleiben.

...oder doch nur 8,2 Prozent?

Auf Basis des Genomvergleichs diverser Säugetiere – von Maus, Meerschweinchen, Pferd bis zum Menschen – kamen die Forscher im Fachblatt "PLoS Genetics“ zum Schluss, dass nur 8,2 des Genoms funktional sind. Der Rest hat sich im Laufe der Evolution angesammelt, sagt Gerton Lunter, "ganz ähnlich wie all das Gerümpel, das sich im Dachboden eines Hauses ansammelt, das aber niemand mehr braucht.“

Doch auch von diesen 8,2 Prozent der DNA sei nicht alles gleich wichtig, behaupten die Genetiker: Nur etwas mehr als ein Prozent der gesamten Erbsubstanz codiert für Proteine und ist damit für die Durchführung der entscheidenden biologischen Prozesse im Körper zuständig. Die übrigen rund sieben Prozent der Erbsubstanz dürften vor allem für das richtige Ein- und Ausschalten der Gene zuständig sein.

Medizinische Bedeutung

Das hat auch eine nicht zu unterschätzende medizinische Bedeutung: "Wenn ein Gutteil unserer DNA funktional wäre, dann müssten wir bei Genomanalysen unserer Patienten jeder Mutation Beachtung schenken“, sagt Chris Pointing. Das sei aber eben nicht der Fall. Wichtig seien eben nur DNA-Veränderungen auf diesen 8 Prozent. (tasch, derStandard.at, 27.7.2014)