Berlin/Ottawa - Deutschland lehnt den Entwurf für ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada einem Zeitungsbericht zufolge ab. Damit zeichnen sich weitere ernsthafte Schwierigkeiten für das geplante Handelsabkommen mit den USA (TTIP) ab, denn der Vertrag mit Kanada gilt als Vorlage für den Vertrag mit den USA.
Das Berliner Wirtschaftsministerium nahm zwar am Wochenende nicht konkret zum Bericht der "Süddeutschen Zeitung" Stellung, der fertig ausverhandelte Vertrag mit Kanada werde von der Bundesregierung nicht mitgetragen. Jedoch verwies ein Sprecher auf schon früher geäußerte massive Bedenken. Eine Sprecherin des kanadischen Handelsministeriums lehnte einen direkten Kommentar zu dem Zeitungsbericht ab und sprach vielmehr von "exzellenten Fortschritten" bei den Verhandlungen mit der EU.
Vertragsentwurf wird nicht akzeptiert
Unter Berufung auf deutsche EU-Diplomaten berichtete die "Süddeutsche", der im Vertragsentwurf vorgesehene Investorenschutz werde von deutscher Seite nicht akzeptiert. Kritiker fürchten, dass Investoren durch die Schutzklauseln im Freihandelsabkommen umfassende Klagemöglichkeiten in der EU erhalten und Gesetze blockieren oder rückgängig machen könnten.
Die "Süddeutschen Zeitung" zitierte einen hohen Beamten der EU-Kommission mit den Worten, der Freihandelsvertrag mit Kanada sei ein Test für das Abkommen mit den USA. Werde es abgelehnt, "dann ist auch das mit den USA tot". Die Bundesregierung hat auch schon Bedenken gegen den von den Amerikanern gewünschten Investorenschutz geltend gemacht. Den Abkommen müssen alle 28 EU-Staaten zustimmen.
Investor-Staats-Schiedsverfahren
Das deutsche Bundeswirtschaftsministerium verwies auf die Antwort von Staatssekretär Stefan Kapferer auf eine Parlamentarische Anfrage zum Thema vom 26. Juni. Darin heißt es zum geplanten Abkommen mit Kanada: "Die Bundesregierung erachtet Bestimmungen zum Investitionsschutz einschließlich Investor-Staats-Schiedsverfahren mit Staaten, die über belastbare Rechtsordnungen verfügen und ausreichend Rechtsschutz vor unabhängigen nationalen Gerichten gewährleisten, für nicht erforderlich."
Allerdings habe sich die EU-Kommission mit der Auffassung durchgesetzt, doch Klauseln zum Investitionsschutz zu verhandeln. "Aus übergeordneten politischen Gründen" seien trotz deutscher Bedenken die Verhandlungen der EU-Kommission mitgetragen worden. Kapferer äußert sich in dem Schreiben auch zu TTIP: "Zur Frage der Einbeziehung von Investitionsschutz einschließlich Investor-Staats-Schiedsverfahren in das Abkommen hat die Bundesregierung sich von Anfang an kritisch geäußert."
Kanada überrascht
Die kanadische Regierung zeigte sich überrascht über den Bericht über die deutsche Ablehnung des Vertragsentwurfs. Die Bundesregierung habe lange Zeit Abkommen mit einem strengen Investorenschutz befürwortet, sagte eine Sprecherin des Handelsministeriums in Ottawa. "Die deutschen bilateralen Investitionsabkommen enthalten Investor-Schutzklauseln, die weit schärfer sind als die im Abkommen zwischen der EU und Kanada." Nach Angaben Kapferers hat die Bundesregierung über 130 bilaterale Investitionsschutzabkommen mit anderen Staaten abgeschlossen.
Die EU-Kommission hat angekündigt, sich erst im November zu dem geplanten Investorenschutz, der derzeit mit den USA verhandelt wird, zu äußern. Bislang gab es sechs Verhandlungsrunden zwischen der EU und den USA. Wirtschaftsexperten sehen in dem Freihandelsabkommen mit den USA eine Art Konjunkturprogramm, das zu vermehrten Exporten und Schaffung vieler neuer Arbeitsplätze führen werde. Kritiker warnen unter anderem, Verbraucherschutz-Standards könnten verwässert und kleinbäuerliche Strukturen wegen der preisgünstigeren Konkurrenz aus Übersee zerstört werden. (APA, 27.7.2014)