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Eisel: "Ich habe mir irgendwann selber eingestanden, dass es zum Siegfahrer nicht reicht. Die Helferrolle kann ich definitiv besser erfüllen."

Foto: EPA/YOAN VALAT

Wien/Paris - Bernhard Eisel hat sich im Finish einer Frankreich-Rundfahrt "definitiv schon schlimmer gefühlt - nach Stürzen oder wegen Krankheiten". In diesem Jahr lief zumindest für den 33-jährigen Athletenkörper des Steirers alles nach Plan, "aber nach drei Wochen Tour fühlt man sich nie Weltklasse".

Für Eisels Team Sky war die 101. Auflage der Großen Schleife ganz und gar nicht Weltklasse. Das stand schon vor den beiden abschließenden Etappen fest, vor dem Einzelzeitfahren am Samstag und der sonntäglichen Tour d'Honneur nach Paris für den designierten italienischen Triumphator Vincenzo Nibali. Die beiden Vorgänger des 29-jährigen "Hai von Messina" stellten schließlich die Briten: Bradley Wiggins 2012 und Chris Froome im Vorjahr. Zu Wiggins' Sieg hatte Eisel beigetragen, die Titelverteidigung von Froome hätte er mitmanagen sollen, aber der Zeitfahrolympiasieger war schon während der fünften Etappen verletzt ausgeschieden. Das zweite Ass von Sky, der Australier Richie Porte, konnte krankheitshalber nicht stechen. "Von Chris auf Richie umzuschwenken war nicht schwer", sagt Eisel, "aber danach noch einmal die Trümmer einzusammeln war hart."

Gerade in dieser Situation hatte Eisel den verlängerten Arm der sportlichen Leiter zu geben. "Wir sind das Team Sky, das erfolgreichste der vergangenen zwei Jahre, da muss man weiterkämpfen. Es ging darum, wieder loszulegen, aber es war psychisch besonders schwer, jeden Tag wieder aufs Rad zu steigen und die Burschen zu motivieren."

Eisel ist in seine Rolle, die mit Wasserträger falsch und mit Helfer eigentlich ungenügend definiert wäre, mit den Jahren hineingewachsen. "Von heute auf morgen geht es nicht. Ich habe mir irgendwann selbst eingestanden, dass es zum Siegfahrer nicht reicht. Die Helferrolle kann ich definitiv besser erfüllen. Ich weiß, dass ich da einer der Besten bin." Das persönliche Zurückstecken und Arbeiten für den Erfolg des Teams werde honoriert. "Von dem zwischenmenschlichen Honorar, von der Wertschätzung in der Mannschaft, lebst du auch."

Eisel obliegt nicht nur in vielen Fällen ein Teil der Tagesplanung (wer etwa wann und wo zu attackieren hat), sondern er gibt auch während des Rennens taktische Ezzes, wenn sie von außen gerade nicht kommen können. Ein wahrer Meister ist der Voitsberger mittlerweile in der Disziplin "Karenzzeitunterschreitung". Es bedarf einiger Erfahrung, stets gerade so weit hinter dem Tagessieger das Ziel zu erreichen, dass man nicht aus der Wertung genommen werden kann. "Viele verlassen sich auf mich, weil sie wissen, dass ich es immer schaffe. Im Endeffekt geht es darum, immer zu fahren, nicht viel zu schnell, das bringt gar nichts, sondern im richtigen Rhythmus. Man versucht vorher auszurechnen, wie viel man verlieren darf, aber dann kommen die Unwägbarkeiten des Rennverlaufs dazu. Also muss man von Kilometer null weg auf dem Laufenden sein." Eisel wird in Paris mehr als vier Stunden auf den Toursieger eingebüßt haben. Das spielt keine Rolle.

Auch die Frage, wer Letzter der Tour wird, spielt keine Rolle mehr. In vergangenen Zeiten war das Tragen der sogenannten "Roten Laterne" noch erstrebenswert, der Tour-Letzte war später gern gesehener und gut bezahlter Gast bei Showrennen. Vorbei. "Ich versuche nie, Letzter zu werden. Jeder ist genug damit beschäftigt, seine Aufgaben zu erfüllen."

Die Nase voll von diesem Job hat Österreichs längstdienender aktiver Radprofi nicht. Der Vertrag mit Sky gilt noch im nächsten Jahr, "dann schauen wir, was mein Körper zulässt. Solange ich mitspielen darf bei den Größen, solange ich kein reiner Statist bin und sich daheim keiner auf den Kopf greift und fragt, warum der noch immer mitfährt, mache ich weiter."

Am Mittwoch und Donnerstag ist Eisel bei den Kriterien in Wels und Bischofshofen zu sehen. Im September steht für Sky die Tour of Britain an. Im Vorjahr siegte Bradley Wiggins. Eisel wird sich und andere motivieren, denn "dieses Rennen ist wichtig für uns". (Sigi Lützow, DER STANDARD, 26.7.2014)