Michael Jeannée.

Foto: heribert corn

In ihrer Berichterstattung lässt es die "Kronen Zeitung" an Verlässlichkeit und Aktualität bekanntlich nicht fehlen. Das gilt im Allgemeinen, ganz besonders aber dann, wenn es um inter nationale Krisenherde geht. Die sind ja weit weg, daher kennt das Verantwortungsbewusstsein der Blattmacher kein Erbarmen. Letzten Dienstag etwa berichtete man über die Tunnel-Angriffe der Hamas nach Israel hinein, und wie da Dutzende unterirdische Gänge entdeckt wurden. Die Story war auch gut bebildert, als wäre das Gezeigte eben erst geschehen, zum Beispiel: Soldaten entdecken den Ausgang eines Tunnels in Israel, und: Dutzende Hamas-Tunnels unter dem Gazastreifen nach Israel. Gezeigt wurde ferner ein Foto israelischer Soldaten bei der Bergung eines Verletzten: In den Bodenkämpfen verzeichnet auch die israelische Armee ungewöhnlich deutliche Verluste.

Dass keines der Fotos mit einem Copyright versehen war, ist vermutlich mit der Hitze des journalistischen Gefechts in der Redaktion zu erklären. Was die ungewöhnlich deutlichen Verluste der israelischen Armee in den letzten Tagen illustrieren sollte, war ein Foto von der Website "Stand for Israel" aus dem Jahre 2012, Copyright IDF (Israel Defense Forces). Noch älter sind die Fotos der Tunnels, nämlich aus dem Jahre 2009, wobei es sich auch nicht um den Ausgang eines Tunnels in Israel handelte, sondern um einen Tunnel zwischen dem Gazastreifen und Ägypten.

Vielleicht sollten sich die Außenpolitiker der "Krone" öfter Rat bei dem alten Haudegen Michael Jeannée holen, der auch schon ein paar Mal im Ausland herumgekommen ist, wie dem "Profil" zu entnehmen war. Dort ist ihm eine dreiseitige Lebensbeschreibung gewidmet, die er sich in harten Jahren unter den Dichands und ganz besonders anlässlich der letzten Fußball-WM auf seine Weise verdient hat. Sie fußt auf einem mehrstündigen Gespräch, in dem Jeannée vor allem darauf bestand, kein Nazi zu sein, als gäbe es nur diese spezifische Form qualifizierter Unappetitlichkeit. Seine Entnazifizierung ohne Anlass gewährten ihm zwei Kronzeugen. Vorvergangene Woche rief ihn etwa der ehemalige Staatsoperndirektor Ioan Holender an: "Ich weiß, du bist kein Nazi." So etwas spontan von einem ehemaligen Staatsoperndirektor bestätigt zu bekommen ist der Garant für ein reines Gewissen, was immer auch der Beweggrund für diesen Anruf gewesen sein mag.

Der zweite Zeuge für Jeannée, den "Profil" aufrief, war vielleicht noch kompetenter. Andreas "Negerkonglomerat" Mölzer, gefallener FPÖ-Europaabgeordneter: "Ich weiß, Sie sind kein Nazi." Das könnte aber auch gewesen sein, was die Engländer Fishing for compliments nennen, hätte doch ebenso gut Jeannée dem Mölzer bestätigen können: "Ich weiß, Sie sind kein Nazi." Vor allem, in Dankbarkeit nach der Lektüre des Beitrags, den Mölzer in der letzten Ausgabe seiner "Zur Zeit" ablaichte, um sich der "Krone" als Gesinnungsgenosse in Erinnerung zu rufen: Jeannée in der PC-Falle - PC für Political Correctness.

Da tauschten sich die Richtigen aus. Mölzer im Majestätsplural: Wir erinnern uns - nicht ohne inneres homerisches Gelächter -, daß der "Krone"-Kolumnist noch vor wenigen Monaten den Autor dieser Zeilen als "Rassist" aburteilte, weil er es gewagt hatte, den Begriff Neger zu verwenden und mutmaßlich den Säulenheiligen des heimischen Fußballes, St. Alaba, verunglimpft hätte. Jetzt muß Jeannée selbst erleben, daß man die Milch der frommen Denkungsart (sic!) schon hektoliterweise saufen muß, um vor den Tugendterroristen Gnade zu finden.

Aber keine Angst, beide in der PC-Falle gefangenen Opfer des heimischen Wohlfahrtsausschusses - andere nennen dies Jagdgesellschaft - ließen das erwähnte Getränk bisher unberührt stehen. Wenn Mölzer meint, Jeannée sei für alle Zeiten als nazoider Boulevard-Hetzer abgestempelt, vermag er auch das Positive daran zu sehen: Was ihn wenig stören wird, hoffen wir.

Einen frischen Sinn für Ironie bewies diese Woche "Format". Das Magazin engagierte ausgerechnet Wolfgang Schüssel für eine Lobrede auf Angela Merkels 60. Geburtstag. In fast neun Jahren als Regierungschefin hat Merkel etwas höchst Ungewöhnliches erreicht: die Identifikation mit dem Volk ... Sie ist "eine von ihnen" geblieben - vorsichtig, unaufgeregt, bescheiden, skandalfrei, umsichtig, vertrauenswürdig.

Da handelt einer ab, was er in sechs Jahren als Regierungschef nicht erreicht hat. Chance verpasst. Hätte er Merkels Beispiel nur früher vor Augen gehabt! (Günter Traxler, DER STANDARD, 26./27.7.2014)