In einem meiner ersten Blogeinträge habe ich geschrieben, dass ich einen Film über einen Gott machen will, wie ich ihn mir wünsche (und meinte damit beides: Gott und den Film). Doch ganz so stimmt das nicht, jedenfalls nicht in Bezug auf Gott. Ich will einen Film machen, der meine Vorstellung von Gott wiedergibt, so wie ich ihn momentweise erfahren habe - als unberechenbares Wesen. Ich würde mich nicht unbedingt als einen gläubigen Menschen bezeichnen. Ich würde mich aber sehr wohl als einen Menschen bezeichnen, dem die Frage nach Gott nicht egal ist.

Das haben inzwischen wohl schon alle mitbekommen, die diesen Blog lesen. Ich hätte mir aber nicht gedacht, wie schwierig und entnervend es sein kann, diese meine Vorstellung von Gott zu beschreiben. Und nichts anderes ist ein Film, als der Versuch, eine Vorstellung zu beschreiben.

Frage des "Ich" und des "Wir"

Es gibt kaum ein kollektives Phänomen, das gleichzeitig so vereinigend und so trennend ist, wie der Glaube. Quer über alle Kontinente, durch alle soziale Schichten, egal welches Alter, welche Hautfarbe, welche sexuelle Orientierung - die Frage nach Gott ist eine Menschheits- und zugleich eine Menschenfrage, eine kollektive und eine individuelle; es ist eine Frage des "Ich" und des "Wir". Und wie dieses "gläubige Wir" definiert wird, ist im Wesentlichen von der Glaubenszugehörigkeit geprägt. Wir Christen! Wir Muslime! Wir Buddhisten! Wir Juden!

Die jeweils anderen haben in einer konfessionellen Vorstellungswelt nur bedingt einen Platz - im besten Fall als potentiell zu Bekehrende. In meiner Vorstellung von einem "idealen Gott" sind jene englischen Atheisten, die 2008 mit einer Plakatkampagne auf sich aufmerksam machten, in welcher sie Londoner Busse mit dem Slogan: "There's probably no God. Now stop worrying and enjoy your life" beklebten, die "idealeren Gläubigen".

Karl Markovics

Der Versuch, sich eine Vorstellung von Gott zu machen, ist eines der ältesten menschlichen Kulturphänomene und hat sich über alle Zeiten und alle Zivilisationen bis in die Gegenwart erhalten, obwohl oder gerade weil es sich einem rationalen Zugang entzieht. Und weil die Vorstellung von Gott eben so irrational ist (sie gewissermaßen nur im Konjunktiv besteht), weil Glauben eben glauben bedeutet und nicht wissen, ist die Sache mit dem Rechten, dem Wahren, dem allein selig Machenden eine so vertrackte und im Grunde genommen auch eine unglaublich anmaßende Angelegenheit.

Jede Religion, jede Kirche, jede Glaubensrichtung propagiert eine mögliche Vorstellung von Göttlichkeit. Das soll so sein. Aber zu behaupten, seine Vorstellung sei die einzig rechte, wahre oder allein selig machende ist ein dummer oder ein naiver oder ein krimineller Irrglaube. Weder würfelt Gott (Albert Einstein), noch geht er in eine Kirche, eine Moschee, einen Tempel, eine Synagoge oder in ein Kino. Glaube ich jedenfalls. Wissen tue ich es natürlich nicht.

Nächste Frage

Frage 5 der am vermutlich häufigsten gestellten Fragen in Zusammenhang mit meinem neuen Film "Superwelt":

"Herr Markovics, die Hauptfiguren in Ihrem Film stammen aus dem Arbeitermilieu. Die Protagonistin lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in einem Einfamilienhaus im östlichen Niederösterreich. Sie stammen selbst aus ähnlichen Verhältnissen und wuchsen in einer ähnlichen Gegend auf. Das ist kein Zufall, oder?"

"Nein, das ist kein Zufall. Ich wuchs in Kapellerfeld bei Gerasdorf bei Stammersdorf bei Wien auf. Das war irgendwie noch Land, aber doch gleich in der Nähe Wiens. Es gab dort sowohl 'echte' Bauern mit Feldern und Traktoren und so, als auch Arbeiter und Kleingewerbetreibende, die sich auf den damals noch erschwinglichen Parzellen kleine Häuser bauten, um 'etwas eigenes' zu schaffen. Meine Eltern gehörten zu Letzteren. Es ist doch meistens so: Man schreibt über das, was man kennt. Ich kenne die sogenannten 'kleinen Leute' und diese Leute wollte ich mit dem möglichst Größten in Verbindung bringen, das ich mir vorstellen kann. Das größte in meiner Vorstellung ist das Unvorstellbare. Und das Unvorstellbarste in meiner Vorstellung ist Gott." (Karl Markovics, derStandard.at, 23.7.2014)