Mit Sicherheit ein Leckerbissen für Freudianer: die brillante und radikale Arbeit "Oil Pressure Vibrator" der Koreanerin Geumhyung Jeong - nochmals am 23. Juli bei Impulstanz.

Foto: Karolina Miernik

Wien - Mit drei ausgesprochen unheimlichen Stücken hat Impulstanz seine diesjährige, mit 14 Stücken recht umfangreiche Jungchoreografen-Reihe [8:tension] begonnen: Das portugiesische Künstlerpaar Teresa Silva und Filipe Pereira tastet sich durch ein Dunkel der Erinnerung. Die Koreanerin Geumhyung Jeong sucht in der Lust den Tod. Und Rosalind Goldberg lässt eine gespenstische Figur ziellos auf der Bühne irren.

Das Motiv des Unheimlichen zieht sich auch weiter durch [8:tension], vor allem in den Arbeiten von Karol Tyminski, Gaëtan Rusquet, Rebecca Patek und Dinis Machado, die später im Festival zu sehen sind. Mit Sigmund Freuds Gedanken zu diesem Motiv setzt sich bei Impulstanz der Wiener Performancekünstler Hannes Wurm auseinander. Sein gelungener Erstling Far Away So Close wird zwar außerhalb von [8:tension] gezeigt, passt aber eigentlich perfekt dazu.

Der Performer zeigt seine Füße als Fremdkörper in videotechnischer Vergrößerung. Dazu gibt es Auszüge aus Freuds Text Das Unheimliche zu hören. Gegen Ende tanzt Hannes Wurm andeutungsweise zu Andreas Hamzas Akkordeon-Cover des Hits Brimful of Asha von Cornershop aus 1997. Der Song handelt von der indischen Sängerin Asha Bhosle, deren Stimme in mehr als tausend Bollywoodfilmen als Playback zu hören ist: eine geisterhafte Präsenz in einem "gespenstisch" illusionshaften Medium.

Eine zappelnde Tänzerin

Das Grundmodell dieser Illusion, den Lichtkegel einer Taschenlampe als Prinzip des Filmprojektors, stellen Teresa Silva und Filipe Pereira an den Beginn ihres Stücks What remains of what has passed. In der Folge geistern Erinnerungsszenen und -lücken auf der Bühne, die aufblitzen und wieder verschwinden: eine zappelnde Tänzerin, farbige Lichterspiele oder eine Sängerin, deren aufgerissenem Mund sich Töne entringen, die nicht zu ihrem Körper zu gehören scheinen.

Unheimlich also, diese Gedächtnisbilder, die in dem auf den ersten Blick enttäuschenden, in der Nachschau aber erschreckend deutlichen Stück keinerlei Interpretation erfahren. Sie verweisen auf die Einsamkeit des Individuums im vagen Durcheinander seiner Erinnerungen.

Geradezu grauenhaft erscheint die Einsamkeit der von Geumhyung Jeong dargestellten Figur, die ihrer Obsession von einem Oil Pressure Vibrator erliegt. Das Solo in Form einer Performance-Lecture mit Bild- und Videomaterialien suggeriert einen autobiografischen Hintergrund. Die von Jeong dargestellte junge Frau beschließt, sich in ein hermaphroditisches Wesen zu verwandeln. Nach Experimenten mit einem Puppen-Sexpartner entdeckt sie ihre ideale - männliche - Verdoppelung in einem Greifarm-Bagger. Sie lernt, dieses Gerät zu bedienen, um ihren Körper mit diesem Fetisch in einem autoerotischen Gewaltakt symbolisch zu vernichten.

Diese Darstellung wirkt hochgradig narzisstisch, wozu auch passt, dass auf eine gesellschaftliche Kontextualisierung fast vollständig verzichtet wird. Jeongs Heldin lässt keinerlei erotische Gemeinsamkeit zu. So macht ihr Hermaphroditismus eine abgründige Seite im Genderdiskurs sichtbar, die üblicherweise nicht wirklich gern thematisiert wird. Diese brillante und radikale Arbeit ist mit Sicherheit ein Leckerbissen für Freudianer.

Vielleicht gilt das auch für die Kunstfigur von Rosalind Goldberg, getanzt von Anne-Mareike Hess. Auch hier wird eine einsame Frauenfigur vorgeführt, die sich - ohne sexuelle Anspielungen - einer Obsession ausliefert. Sie schwingt, taumelt und springt wie ein Gespenst in einer nichtssagenden Sphäre. Das macht dieses Stück in seiner künstlerischen Blässe ebenfalls unheimlich. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 23.7.2014)