Briefe und Tagebücher, Prothesen oder Spielzeug, das Väter an der Front bastelten: Bisher hat das digitale Archiv Europeana in 14 europäischen Ländern über 130.000 private Erinnerungsstücke an den Ersten Weltkrieg gesammelt, digitalisiert und online verfügbar gemacht. Am 1. August macht das Projekt in Wien Station, wie Projektleiter Frank Drauschke am Dienstag bei einer Pressekonferenz erklärte.

Postkarte Adolf Hitlers

In München sei sogar eine Postkarte Adolf Hitlers aufgetaucht, die er als Gefreiter im Ersten Weltkrieg verfasste, berichtete Drauschke. Nun sei man schon gespannt, welche Ergebnisse und Schätze der Aktionstag in Österreich zutage bringen werde. Von 10.00 bis 18.00 Uhr können Andenken ins ORF RadioKulturhaus gebracht werden. Dort werden sie fotografiert oder eingescannt, Interviewer erfassen zusätzlich die Geschichte der Objekte. Dann können die Stücke wieder mit nach Hause genommen werden.

Die am 1. August erschlossenen Objekte gehen nicht nur online, sondern werden auch zur Anreicherung künftiger Programmschwerpunkte des ORF dienen, wie Herbert Hayduck, Leiter des ORF-TV-Archivs, schilderte. Über 12.000 Menschen sind dem Aufruf von Europeana bereits gefolgt, auch online kann man Fotos und Informationen einreichen. "Durch so ein Projekt lassen sich die kleinen Puzzlesteine der Geschichte zusammensetzen", meinte Drauschke. "Es ist ein Rohdiamant, der jetzt von Nutzern wie Wissenschaftern aber auch Interessierten noch weiter geschliffen werden kann."

Teile von institutionellen Sammlungen
Neben privaten Erinnerungsstücken macht Europeana aber auch Teile von institutionellen Sammlungen zugänglich - etwa jene der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB), aus der derzeit über 30.000 Digitalisierte zu sehen sind. Auch das Wien Museum oder die Universität Wien sind mit kleinen Beiträgen vertreten.

Mit der Ausstellung "An Meine Völker!" bildet der Erste Weltkrieg noch bis 2. November einen Schwerpunkt in der Nationalbibliothek. Teile der Schau wurden nun in Kooperation mit Europeana zu einer dauerhaften virtuellen Ausstellung umgebaut, die ab sofort online zu sehen ist. Der Vorteil: Die Objekte lassen sich vergrößern und heranzoomen, die Geschichte dahinter werden gleich in mehreren Sprachen mitgeliefert. "In den meisten Projekten und Ausstellungen zum Gedenkjahr wird der Erste Weltkrieg immer noch als nationaler Krieg mit nationaler Erinnerung verstanden", kritisierte Hans Petschar, Direktor des Bildarchivs der ÖNB.

Physisch gebe es keine Gedenkstätte in Europa, an dem alle nationalen Geschichtsschreibungen zusammengefasst sind - das Web schaffe hier Abhilfe, erklärte Petschar. "Dann können die Menschen selbst entscheiden, was sie glauben", meinte er. Aus der Sammlung der ÖNB sind beispielsweise Zeitungen, Tagebücher und Zeichnungen von Schülern sowie Plakate und unzählige Fotografien zu sehen. "Diese Dokumente sind allerdings nicht unschuldig", erinnere Petschar an die Intention, die häufig hinter Gedrucktem und Fotografiertem dieser Zeit stand. Auch hier sollen Erklärungen den Kontext mitliefern.

Ergänzt wird diese offizielle, oft propagandistische Sicht dann ebenfalls durch private Eindrücke. "Wir wollen Europas kulturelles Erbe im Internet zugänglich machen und die persönliche Geschichte der europäischen Bürger festhalten", erklärte Ad Polle, Projektkoordinator der Europeana Foundation, den Gedanken hinter dem Projekt und den Aktionstagen. Erstmals setzte man für die technische Gestaltung der Schau auf die Plattform des Google Cultural Institutes, das auch schon das Google Art Project umsetzte.

(S E R V I C E -