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Frustration führt zu Sarkasmus. Dutzende Reisen unternahm US-Außenminister John Kerry seit vergangenem Jahr in den Nahen Osten. Eine Lösung ist nach wie vor illusorisch.

Foto: APA/EPA / Jim Lo Scalzo

Eigentlich wollte sich John Kerry zurückhalten. Als die radikalislamische Hamas Raketen auf israelische Städte abzufeuern begann und Israel den Gazastreifen attackierte, begnügte sich der US-amerikanische Außenminister mehr oder weniger mit der Rolle des Zuschauers.

Es passte zur neuen Selbstbeschränkung in Washington: Einmal mehr gedachte Präsident Barack Obama zu signalisieren, dass die Vereinigten Staaten, wenn es irgendwo brennt, nur noch höchst selten die Feuerwehr spielen und von anderen intensivere Löscharbeiten erwarten. Statt selbst zwischen Israelis und Palästinensern zu vermitteln, schaltete er die ägyptische Regierung in Kairo als Makler ein.

Mikrofonpanne

Ein eher halbherziger Versuch, wusste man doch im Weißen Haus, dass der neue ägyptische Präsident Abdelfattah al-Sisi nicht annähernd den Einfluss auf die Hamas hat wie sein Vorgänger, der von der Armee aus dem Amt geputschte Muslimbruder Mohammad Morsi. Der Plan scheiterte, und nun darf Kerry aktiver werden, als es sich Obama anfangs vorgestellt hatte.

Eine Mikrofonpanne machte deutlich, wie sehr ihn, den unermüdlichen Außenminister, die erzwungene Tatenlosigkeit frustrierte: "Es ist eine unglaublich punktgenaue Operation", ätzte Kerry, als er in der Pause eines Fox-News-Interviews mit einem Vertrauten sprach und damit den israelischen Militäreinsatz in Gaza mit unverhohlenem Sarkasmus kommentierte. Was er nicht ahnte, war, dass das Mikro an seinem Sakko alles aufnahm und der TV-Kanal die Sätze später senden würde. "Wir müssen hin. Ich glaube, wir sollten heute Abend hinfliegen. Ich denke, dass es verrückt ist, einfach nur dazusitzen."

Pendler zwischen Jerusalem und Ramallah

Der Exsenator aus Boston und der Nahe Osten: Das ist ein Kapitel, das an Sisyphos denken lässt, der den Stein immer wieder von neuem den Berg hinaufrollt.

Neun Monate lang biss sich Kerry die Zähne aus an dem Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Elfmal reiste er in dieser Zeit in die Region. Mit wahrer Engelsgeduld pendelte er zwischen Jerusalem und Ramallah, um beiden Seiten Kompromisse abzuringen, ehe die Gespräche Ende April ergebnislos abgebrochen wurden. Moshe Yaalon, der konservative israelische Verteidigungsminister, verhöhnte den 70-Jährigen mit dem Habitus eines Patriziers als naiven Träumer: "Das Einzige, was uns retten kann, ist dass John Kerry seinen Nobelpreis bekommt und uns endlich in Ruhe lässt."

Mitreißend, begeisternd

Martin Indyk - einst US-Botschafter in Israel, vom State Department reaktiviert, um die kniffligen Details auszuhandeln - zeigte sich dagegen beeindruckt vom "Can do"-Optimismus des Ministers: "Seine Begeisterung hat mich derart mitgerissen, dass ich beschloss, meine Skepsis pausieren zu lassen." Auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu baute, zumindest eine Zeitlang, auf Kerry, den Tatmenschen, der obendrein vor Ehrgeiz brannte.

Netanjahu habe gespürt, dass den Mann eine emotionale Nähe mit dem jüdischen Staat verbinde, schreibt das Intellektuellenmagazin New Republic und liefert in seiner neuesten Ausgabe eine so genaue Chronik des vergeblichen Schlichtungsversuchs, wie sie bis dato noch nirgends zu lesen war. Kerry, so das Blatt, habe Netanjahu in einer ruhigen Stunde nahegelegt, den Streit einmal mit den Augen eines Palästinensers zu sehen - dies fördere das Verständnis.

"Als ich in Vietnam gekämpft habe, habe ich die Gesichter der Einheimischen studiert; die Blicke, mit denen sie uns bedachten. Ich vergesse das nie. Es ließ keinen Zweifel: Wir betrachteten die Dinge auf grundsätzlich verschiedene Art."

Als regelmäßiger Besucher des Nahen Ostens habe er im Laufe der Jahre gespürt: Was sich bei den Palästinensern an Frust anstaue, werde immer schlimmer. "Es spielt keine Rolle, ob es richtig ist oder falsch. Es ist einfach so. Nichts kann gelöst werden, wenn Sie es nicht sehen können, wie sie es sehen." (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 22.7.2014)