Simone Forti ist 1978 bei Rosemarie Schwarzwälder in Wien und im Jahr darauf bei Ursula Krinzinger in Innsbruck aufgetreten. Hier tanzt sie "Crescent Roll" (Kipferl), 1979 in New York.

Foto: Tileston

Salzburg - Die Verbindung zwischen Tanz und bildender Kunst hat eine ereignisreiche Geschichte hinter sich. Wann immer im 20. Jahrhundert diese beiden Kunstformen einander besonders nahe kamen, standen große gesellschaftliche Umbrüche an.

Das war während der 1920er-Jahre der Fall - unter anderem mit den Ballets Russes, den Ballets Suédois und dem Bauhaus - und in den Sixties, als die erste Avantgarde aufgearbeitet wurde und progressive Kunstschaffende die Grenzen zwischen den Genres durchbrachen. Darunter befanden sich Persönlichkeiten wie Carolee Schneemann, Bruce Nauman, Yvonne Rainer und Simone Forti.

Flucht vor dem Faschismus

Die Tänzerin, Choreografin und bildende Künstlerin Simone Forti, geboren 1935 in Florenz und 1938 mit ihrer jüdischen Familie vor dem Faschismus in die USA geflüchtet, ist eine der großen Figuren dieser zweiten Avantgarde.

Das Salzburger Museum der Moderne (MdM) unter der Leitung von Sabine Breitwieser widmet Forti nun eine große "Retrospektive in Bewegung". Nach der aufwändigen und gelungenen Personale der anderen Protagonistin der postmodernen amerikanischen Tanz-Avantgarde, Yvonne Rainer, vor zwei Jahren im Kunsthaus Bregenz ist die Salzburger Ausstellung nun ein weiterer wichtiger Schritt in der Neubewertung einflussreicher künstlerischer Positionen im Tanz der 1960er-Jahre für die Gegenwart.

Mehr als zehn Jahre nach der intensiven Reflexion der choreografischen Postmoderne durch den konzeptuellen Tanz in Europa beginnen nun immer mehr Museen mit einer Arbeit, die Theater und Festivals nicht leisten können. Die Ausstellungshäuser versuchen, die stets mit gesellschaftskritischen Ideen angereicherten künstlerischen Denkweisen aus den Sixties, die der effektvollen Üppigkeit spektakulär angelegter Bühnenwerke eine klare Opposition entgegensetzten, nachhaltig wieder zu vergegenwärtigen.

Dasselbe galt auch für die Ausstellung Moments 2012 im Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) Karlsruhe, eine Aufarbeitung der Peformancegeschichte, an der neben Anna Halprin, Marina Abramovic und Yvonne Rainer auch Simone Forti beteiligt war.

Und ebenso für die große Schau Move des Münchener Hauses der Kunst im Jahr davor, die ganz dem Zusammenspiel zwischen bildender Kunst und Tanz seit den 1960er-Jahren gewidmet war. Dort wurden neben Arbeiten von unter anderen Trisha Brown, Dan Graham oder William Forsythe sowie den an der Aufarbeitung der Postmoderne beteiligten konzeptuellen Gegenwartschoreografen Xavier Le Roy und Boris Charmatz ebenfalls Werke von Forti präsentiert.

In Simone Forti. Mit dem Körper denken zeigt Breitwieser jetzt die erste große Retrospektive des sich über 50 Jahre spannenden Werks dieser Künstlerin überhaupt. Zu sehen sind darin insgesamt mehr als 200 zum Teil bis dato unveröffentlichte Werke.

An der West Coast der USA hatte Forti in den Fünfzigern sowohl Tanz als auch bildende Kunst studiert. Sie kam zur rechten Zeit, war etwa dabei, als die Performance-Art entwickelt wurde. Und nachdem sie die heute legendären Workshops bei Anna Halprin und Robert Dunn besucht hatte, konnte sie ihre Werke beim berühmten New Yorker Judson Dance Theater (1962-1964) zeigen.

Gerne arbeitete sie auch mit anderen Künstlern, darunter Dan Graham und La Monte Young, zusammen. Ihre Kunst ist gleichermaßen Teil der Grundlagen für die Minimal Art und die postmoderne Choreografie.

Die Ausstellung im MdM enthält Zeichnungen und Aquarelle sowie Videos und dokumentarisches Material, die zusammen Einblicke in die Werkbiografie der Künstlerin geben. Unter den Exponaten befinden sich auch kleine Installationen wie etwa Cloths (1967). Und bei der Skulptur Onion on Glass Bottle (1961) ist die Live-Performance einer austreibenden Zwiebel zu beobachten.

Von besonderer Bedeutung ist aber, dass einige von Fortis wichtigsten choreografischen Arbeiten wieder live aufgeführt werden. Darin zeigt sich einerseits die 79-Jährige selbst (etwa in Accompaniment for La Monte's 2 Sounds and La Monte's 2 Sounds von 1961), und zum anderen arbeitet sie mit Studentinnen und Studenten der Salzburg Experimental Academy of Dance (SEAD) zusammen.

Wenn die Nachrichten tanzen

Die jungen Tänzer haben unter ihrer Anleitung Arbeiten wie Huddle, Slant Board und Hangers, die Teile der berühmten Serie der Dance Constructions (1960/61) sind, einstudiert. Die Aufführungen dieser Tanzstücke werden ab 25. Juli im Museum und im öffentlichen Raum der Stadt Salzburg täglich außer Montag gezeigt.

Präsent ist Forti auch in der nächsten Ausstellung des MdM, Kunst/Geschichten, die am 26. Juli eröffnet wird. Dort sind ihre jüngsten Werke zu sehen. In ihren News Animations macht Simone Forti, was sonst heute niemand im Tanz wagt: Sie geht auf tagesaktuelle Nachrichten ein und übersetzt sie in körperliche Bewegungen. Diesen Geist braucht es. Gerade in unserer Gegenwart. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 21.7.2014)