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Ohne Reformen in China sieht Währungsexperte Benn Steil keine Alternative zum US-Dollar für das globale Währungssystem.

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Steil: Selbst die Brics-Bank braucht den Dollar.

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STANDARD: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, kurz: die Brics, haben sich in der Vorwoche in Schanghai auf die Gründung von Pendants zu Währungsfonds und Weltbank geeinigt. Endet damit die Dollar-Dominanz im Währungssystem?

Steil: So bald wird das nicht passieren. Sehen Sie sich die Brics-Bank und ihre Arbeit genau an. Alles dort bezieht sich auf den US-Dollar, die Operationen werden in Dollar angegeben. Viele Länder auf der ganzen Welt sind stark von der US-Währung abhängig, und das hat sich in der jüngsten Krise sogar noch verstärkt.

STANDARD: Die neuen Institutionen sollen aber die Rolle Washingtons eindämmen.

Steil: Die Richtung mag klar sein, aber es wird viel langsamer vonstatten gehen, als viele Ökonomen und Kommentatoren erwarten. Es gibt keine logische Alternative zum US-Dollar. Er bleibt noch lange dominant.

STANDARD: Wie sieht es mit China aus? Das Land ist rapide gewachsen und hat Währungsreserven in Höhe von 4000 Milliarden Dollar. Wäre der Renminbi keine Alternative?

Steil: China steckt in einer Klemme. Es möchte seine Währung zwar internationalisieren, es sieht die US-Führungsrolle in der monetären und finanziellen Architektur sehr kritisch. Aber gleichzeitig möchten die Chinesen alles verhindern, was eine Dollarkrise auslösen könnte. Denn das würde die Kaufkraft ihrer enormen Dollarreserven zerstören. Die Führung will aber auch langsam und vorsichtig vorgehen, weil der Effekt einer Währungsreform auf die eigene Wirtschaftspolitik keineswegs ausschließlich positiv wäre. Die Exporte könnten unter einem stärkeren Renminbi leiden, eine Liberalisierung der Kapitalmärkte würde zudem die zentrale Rolle der chinesischen Führung in der Kreditvergabe einschränken.

STANDARD: Aber blickt man auf die Wirtschaftsleistung, sollte China schon heute ein wichtiger Player im Währungssystem sein, oder?

Steil: Der US-Dollar spielt eine einzigartige Rolle im Währungssystem. Daher ist die Wirtschaftsleistung nur ein Teil der Gleichung. Der US-Dollar macht rund 63 Prozent der weltweiten Währungsreserven aus, Ausländer besitzen heute etwa 36 Prozent der Staatsanleihen. Wenn die Rolle des Renminbi an den Währungsreserven nur auf fünf Prozent steigen würde, würde damit bereits ein Drittel des Anleihenmarktes in ausländischer Hand sein. China muss also enorm viel machen, um die Kapitalmärkte zu entwickeln. Erst dann könnte es mit dem Dollar konkurrieren.

STANDARD: In dem Buch "Schlacht um Bretton Woods" zeigen Sie, wie die Konferenz über die neue Währungsordnung vor genau 70 Jahren auch ein Kampf zwischen den aufstrebenden USA und den am wirtschaftlichen Abgrund stehenden Briten war. Ist das Währungssystem immer Ausdruck der wirtschaftlichen Machtverhältnisse?

Steil: Absolut. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte das Pfund Sterling die dominante Rolle in der Währungsarchitektur inne. 1944, zur Konferenz von Bretton Woods, hatte Großbritannien aber eine Staatsverschuldung von 250 Prozent der Wirtschaftsleistung. Obwohl das Land in zwei Weltkriegen auf der Siegerseite stand, war es ruiniert. Das hat das Vertrauen in Großbritannien in der globalen Währungsarchitektur erschüttert. Es gab in den 1940er-Jahren nur zwei Möglichkeiten, auf dem Weltmarkt zu handeln: Die eine war Gold, die andere war der US-Dollar, weil die USA rund 80 Prozent aller globalen Währungsreserven kontrollierten. Der Dollar war damit der einzige glaubwürdige Ersatz für Gold. Das hat den Amerikanern in der Verhandlung eine Machtposition eingeräumt.

STANDARD: Was waren die Folgen der schiefen Machtbalance?

Steil: Die USA setzten sich in vielen Fragen durch. Etwa beim Sitz der beiden internationalen Finanzinstitutionen, Internationaler Währungsfonds und Weltbank. Um diese Frage gab es einen bitteren Konflikt. Als sich abzeichnete, dass keine der Institutionen ihren Sitz in London haben würde, haben die Briten zumindest dafür gekämpft, dass Weltbank und Währungsfonds in New York, nicht in Washington, angesiedelt sein sollten. Damit sollte die politische Symbolik reduziert werden. Doch selbst das haben die Amerikaner abgelehnt. (DER STANDARD, 21.7.2014)