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Die Marienkirche in Mossul ist verlassen, seit Islamisten sie besetzt und das Kruzifix vom Kirchturm abgenommen haben.

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Christen beten nach ihrer Flucht am Rande der Stadt Mossul.

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Kairo/Mossul - An den Häusern der Christen in Mossul ist jetzt ein arabisches "N" aufgemalt. "N" für Nasarani, wie die Christen im Koran bezeichnet werden. 30.000 gab es noch in der Millionen-Metropole. Die Jihadisten hatten ihnen ein Ultimatum von zwei Tagen gestellt, um entweder zum Islam überzutreten, die Jizya (eine Steuer für Nicht-Muslime) zu bezahlen oder zu fliehen.

Wer konnte, ist geflohen. Viele in Richtung der Kurdengebiete. Ihre Häuser wurden daraufhin vom IS (Islamischer Staat) konfisziert. Damit ist die christliche Minderheit in Mossul, das auch als Rom des Orients bezeichnet wird, praktisch ausgelöscht. Zum ersten Mal in der Geschichte sei Mossul frei von Christen, erklärte Bashar Kiki, ein Mitglied des Lokalrates, der ins 45 Kilometer entfernte Qushahwali umgezogen ist.

Christliches Kernland

Die Region von Mossul ist christliches Kernland. Hier haben über Jahrhunderte Christen und Muslime friedlich zusammengelebt. Viele der historisch wertvollen Kirchen wurden von Jihadisten geplündert und zerstört. Mehr als die Hälfte der einst 800.000 Christen hatte den Irak bereits nach der US-Invasion 2003 verlassen. Ihre Gotteshäuser waren regelmäßig Anschlagsziele.

Was der IS jetzt macht, ist die systematische Vertreibung und Verfolgung aller ethnischen und religiösen Gemeinschaften, die sich nicht ihrer extremistischen Ideologie unterwerfen. Der UN-Sicherheitsrat hat die Verfolgung am Montag einhellig verurteilt und sie als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bezeichnet.

Von der Zerstörungswut sind nicht nur christliche Einrichtungen, sondern auch schiitische Schreine bedroht. Bilder solcher Aktionen verbreiten die Jihadisten im Internet als Teil ihrer PR-Kampagne.

Bücher und Manuskripte zerstört

In der Stadt Saadiya in der Provinz Diyala haben sie in einer Bibliothek hunderte wertvolle Bücher und Manuskripte zerstört. Aus den Buchhandlungen muss alles verschwinden, was missfällt. Bilder von Künstlern werden zerstört und Folkloredarbietungen verboten. Einwohner sprechen in Anlehnung an die afghanischen Taliban bereits von Saadiya als dem Kandahar von Diyala.

Als Reaktion auf die alarmierenden Berichte über die Zerstörung von Kulturgütern von unschätzbarem historischen Wert hat die Unesco zusammen mit internationalen Experten begonnen, einen Notfallplan zum Schutz zu erstellen.

Auch vor den Schulen macht die rigorose "Säuberungswelle" der IS nicht halt. Die Geschlechtertrennung wurde eingeführt, und aus den Schulbüchern wurden alle Inhalte entfernt, die den religiösen Leitlinien widersprechen. Der Irak hatte im regionalen Vergleich ein qualitativ hochstehendes Bildungswesen, das allerdings seit der Invasion 2003 erheblich gelitten hat.

Schauplatz Fußballstadion

Bis in die Alltagskultur reicht der IS-Kulturkampf. Die Gotteskrieger haben sämtliche Sportveranstaltungen verboten, darunter auch Fußball. Und nun werden auch die Fußballplätze zu einem Schauplatz um die Kontrolle im Irak. Demonstrativ haben die Behörden im internationalen Stadion von Bagdad das Finale der Fußballweltmeisterschaft auf großen Bildschirmen übertragen, und der Fußball-Verband hat angekündigt, dass er Fußballspiele im ganzen Land ansetzen werde, als Protest gegen IS-Attacken auf Zuschauer und Spieler. (Astrid Frefel, DER STANDARD, 23.7.2014)