Rom/Tripolis - Nach dem neuen Flüchtlingsdrama vor Lampedusa, bei dem 19 Menschen ums Leben gekommen sind, hat der italienischer Premier Matteo Renzi einen neuen Appell an die EU gerichtet. Europa müsse gemeinsame Strategien entwickeln, um die Flüchtlingsabfahrt aus Libyen zu stoppen.

"Das Problem der Flüchtingsströme aus Nordafrika muss an der Wurzel gelöst werden. Zugleich müssen wir mehr Ressourcen für eine Stärkung der Grenzschutzagentur Frontex finden", erklärte Renzi nach Medienangaben vom Sonntag.

Nach jüngsten Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) trafen in den vergangenen drei Tagen 5.200 Flüchtlinge ein. Mehr als Hundert Personen könnten dabei nach vorläufigen Angaben ums Leben gekommen sein. 60 Personen werden nach einem Schiffbruch vor der libyschen Küste vermisst. Die Organisation berichtete, dass weitere 240 Personen aus Eritrea gesucht werden, die laut Zeugen und Angehörigen am 27. Juni von Libyen abgefahren und nie in Italien eingetroffen sind.

Der italienische Innenminister ist auf der Suche nach Unterkünften für die Migranten, die seit Monaten ununterbrochen Sizilien erreichen. Auch Kasernen sollen jetzt genutzt werden, um den Flüchtlingen eine Unterkunft zu sichern. Unter den sizilianischen Bürgermeistern wächst jedoch der Unmut wegen des anhaltenden Flüchtlingsstroms.

Unter Druck der Rechtsparteien

Rechtsparteien setzen die Regierung Renzi unter Druck. Maurizio Gasparri, Spitzenpolitiker der oppositionellen Forza Italia, der konservativen Partei von Ex-Premier Silvio Berlusconi, bezeichnete den nicht abreißenden Flüchtlingsstrom nach Italien als skandalös. "Die Regierung ist vor diesem Notstand machtlos. Das ist eine kostspielige und endlose Schande", klagte Gasparri.

Populistische Parteien drängen auf ein Ende der seit Oktober laufenden Mission "Mare Nostrum" zur Rettung von Flüchtlingen in Seenot. Die Rettungsaktion würde nur den Menschenhandel über das Mittelmeer fördern, argumentiert der Chef der rechtspopulistischen Lega Nord, Matteo Salvini. "19 Tote auf einem Flüchtlingsboot. Das sind weitere Tote auf dem Gewissen derjenigen, die den Einsatz 'Mare Nostrum' verteidigen, darunter unser Premier Renzi", betonte Salvini.

Italienische Rettungskräfte hatten am Samstag von einem völlig überladenen Flüchtlingsschiff vor der Insel Lampedusa 18 Tote geborgen. Ein weiterer Mann ist beim Transport auf die italienischen Mittelmeerinsel gestorben. Auf dem Schiff befanden sich demnach mehr als 600 Menschen, die Opfer seien offenbar erstickt.

Die Einsatzkräfte wurden von einem Handelsschiff alarmiert, das knapp 150 Kilometer vor Lampedusa im Mittelmeer unterwegs war. Zwei Flüchtlinge seien mit dem Hubschrauber in ein Krankenhaus in Palermo auf Sizilien gebracht worden. Die Leichen wurden von einem Schiff auf Malta geführt.

Wegen des ruhigen Sommerwetters hat zuletzt die Zahl der Bootsflüchtlinge erheblich zugenommen. Die Flüchtlinge stammen meist aus Eritrea, Somalia und Syrien, doch auch Flüchtlinge aus Afghanistan, Pakistan und weiteren asiatischen und afrikanischen Ländern nehmen die gefährliche Überfahrt auf sich. In den vergangenen acht Monaten erreichten nach offiziellen Angaben mehr als 73.000 Flüchtlinge Italien. Die Regierung in Rom rechnet bis Jahresende mit insgesamt 100.000 Flüchtlingen. Die italienische Marine greift nahezu täglich Hunderte von Migranten auf, die mit Schiffen über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen versuchen. (APA, 20.7.2014)