Bild nicht mehr verfügbar.

Bei antiisraelischen Demos brachen Unruhen aus ...

Foto: AP Photo/Thibault Camus

Bild nicht mehr verfügbar.

... doch der Großteil der Demonstranten blieb friedlich.

Foto: AP Photo/Thibault Camus

Ein massives Großaufgebot von CRS-Bereitschaftspolizisten konnte nicht verhindern, dass am Samstag im Pariser Einwandererviertel Barbès mehrere tausend Demonstranten auf die Straße gingen - obwohl die Präfektur der Stadt am Vortag jede Kundgebung verboten hatte. Vermummte Pro-Palästinenser bildeten zuerst eine Menschenkette um die Demonstranten, um die Polizei am Eingreifen zu hindern; als die Menge einen Abschnitt des Boulevard Barbès zu blockieren versuchte, flogen Pflastersteine, Molotowcocktails und Holzstangen. Teile des städtischen Mobiliars gingen in Flammen auf. Es gab mehrere Verletzte, 14 Jugendliche wurden verhaftet.

Die mehrheitlich friedlichen Demonstranten skandierten Parolen wie "Israel Mörder, Hollande Komplize". Gegenüber anwesenden Journalisten meinten viele, die Regierung habe selber "Öl ins Feuer gegossen", indem sie die Demo untersagt habe. Auch die Grünen-Partei verurteilte das Verbot.

Dieses war die direkte Folge einer Demo von vergleichbarer Größe eine Woche zuvor bei der Bastille, wo propalästinensische Demonstranten gegen zwei Synagogen losgezogen waren und die Gläubigen darin stundenlang blockiert hatten.

Hollandes Sorge um "öffentliche Ordnung"

Während in anderen Städten Frankreichs erlaubte propalästinensische Kundgebungen ohne Zwischenfälle stattfanden, begründete Staatschef François Hollande das Demoverbot in Paris mit der "öffentlichen Ordnung": Es gehe nicht an, dass sich verfeindete Gruppierungen bei solchen Kundgebungen Straßenschlachten lieferten.

Die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) hatte vor einer Woche Filmszenen veröffentlicht, in denen Vertreter der Jüdischen Verteidigungsliga (LDJ) offenbar Pro-Palästinenser angreifen. Auch an diesem Samstag war die LDJ in Barbès präsent, was von den "palos" – so nennt die LDJ die Pro-Palästinenser – an sich schon als Provokation empfunden wurde.

Die LDJ spricht hingegen von „jüdischer Selbstverteidigung". Nach der Bedrohung einer Synagoge vor mehreren Tagen meinte der Vorsitzende des Dachverbands der jüdischen Organisationen (Crif), Roger Cukierman, in Frankreich herrsche ein "antisemitisches Klima", wie er es "noch nie erlebt" habe. Der Philosoph Alain Finkielkraut wirft "radikalen Islamisten und der extremen Linke" vor, bei den Anti-Israel-Demos eine Allianz einzugehen.

Machtlos vor Randalierern

Das französische "Kollektiv für einen gerechten und dauerhaften Frieden zwischen Israelis und Palästinensern" bestreitet hingegen jeglichen Antisemitismus. Die NPA-Sprecherin Sandra Demarcq erklärte, die Demozüge hätten die Pariser Synagogen bewusst umgangen; gegen Randalierer sei man machtlos.

Vereinzelt waren allerdings auch Demorufe wie "Tod den Juden" zu hören. Das nährt Ängste der französischen Juden vor einer neuen „Intifada in Paris“, wie die "Jüdische Allgemeine“ titelte. In Toulouse 2012 und Brüssel 2014 waren Juden zweimal eine direkte Zielscheibe terroristischer Mordanschlägen geworden. Im vergangenen Jahr wanderte eine seit zehn Jahren nicht mehr gesehene Zahl von 2.200 französischen Juden nach Israel aus.

Die in Frankreich spür- und hörbare Israel-Kritik als reinen Antisemitismus auszulegen greift allerdings zu kurz: Wenn sich weite Teile der französischen Einwandererviertel mit den Palästinensern solidarisch fühlen, hat das nicht in erster Linie mit den französischen Juden zu tun: Vielmehr zeigt sich darin, dass sich viele Franzosen aus der Immigration in ihrem eigenen Land als Bürger zweiter Klasse fühlen. Dies dürfte der eigentliche Grund dafür sein, dass in den Straßen von Paris tausende Menschen für die Sache der Palästinenser auf die Straße gehen. (Stefan Brändle, derStandard.at, 19.7.2014)