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Trainer in einer anderen Dimension: Adi Hütter muss aber nach seinem Wechsel von Grödig nach Salzburg deshalb nicht ein anderer Mensch sein. Authentisch zu bleiben ist die oberste Maxime des Vorarlbergers.

Foto: APA/Gindl

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"Ich habe keine Angst, sonst dürfte ich nicht Trainer sein."

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Standard: Salzburg ist von Grödig nur drei Kilometer Luftlinie entfernt. Liegen in Wahrheit aber nicht doch Welten dazwischen?

Hütter: Natürlich. Geografisch ist es sehr nahe, was die Vereine betrifft, sind die Unterschiede gewaltig. Das ist nichts Neues. Im Rahmen der Möglichkeiten war Grödig aber auch sehr gut aufgestellt, das Trainingszentrum in Rif zählt zu den besten in Österreich. Taxham ist eine andere Dimension, die Rahmenbedingungen und Perspektiven bei Red Bull Salzburg sind optimal. Egal, wo du arbeitest, du musst immer versuchen, das Maximale rauszuholen.

Standard: Muss man in Salzburg ein anderer Mensch, ein anderer Trainer als in Grödig sein?

Hütter: Nein. Du musst als Trainer immer authentisch bleiben. Ich habe mich stets weitergebildet und -entwickelt, fachlich, persönlich und in der Sozialkompetenz. Die Burschen in Grödig sind Spieler und auch Menschen, in Salzburg ist die Qualität der Kicker zwar höher, aber die Menschen sind grundsätzlich gleich. Den einen musst du so behandeln, den anderen anders. Die Mannschaft von Red Bull Salzburg hat einen tollen Charakter, und ich habe auch mit meiner Art, die Mannschaft zu führen, einen guten Zugang gefunden.

Standard: Sie haben ein fertiges, erfolgreiches Team von Roger Schmidt übernommen. Ist da überhaupt Platz für neue Ideen? Was soll unter Hütter anders werden?

Hütter: Die Mannschaft ist intakt, sie spielt eine klare, vom Verein vorgegebene Philosophie. Nach vorn verteidigen, das Pressing und das Gegenpressing. Ich habe in Grödig grundsätzlich eine ähnliche Spielkultur entwickelt. Wäre dieser Unterschied zu groß, wäre ich nicht Trainer bei Red Bull Salzburg. Natürlich möchte ich die Mannschaft weiterentwickeln. Wir haben die Chance, das erste Mal in der Klubgeschichte in die Champions League einzuziehen. Das Spiel gegen den Ball ist schon sehr gut verankert, muss aber ständig und konsequent trainiert werden. Etwas Funktionierendes soll man nicht in alle Richtungen verändern. Es wäre gefährlich und naiv, den Motor auszubauen. Man sollte nur an kleinen Schrauben drehen.

Standard: Meistertitel und Cupsieg werden als Selbstverständlichkeit betrachtet, die Champions League ist praktisch ein Muss. Macht das nicht ein wenig Angst?

Hütter: Ich habe keine Angst, sonst dürfte ich nicht Trainer sein. Ich habe vor jeder Aufgabe den nötigen Respekt, das war in Grödig genauso. Ich habe ein gutes Umfeld, die Leute stehen hinter mir. Aber selbstverständlich sind wir ab der ersten Runde gefordert. Die Erwartungshaltung von innen und außen ist sehr hoch, wir haben gemeinsame, große Ziele. Ein Muss kann die Champions League aber nicht sein, das ist zu überspitzt. Wir wollen und können dorthin, sind bereit für den nächsten Schritt.

Standard: Sie arbeiten nun bei einem Konzern mit strengen Hierarchien. Den Hütter von Grödig hat man einfach angerufen, und er war vielleicht sogar froh darüber. Jetzt müssen Gespräche angemeldet und bewilligt werden. Eine Umstellung?

Hütter: Ja, aber das hat nichts mit mir als Mensch zu tun. Es gibt klare Strukturen und Aufgabenverteilungen. Hier gibt es zig Büros und viele Termine, in Grödig gab es einen Tisch und kaum Termine. Aber in erster Linie muss ich dafür sorgen, dass die Mannschaft gut spielt.

Standard: Sie haben als Gegner unter der Dominanz gelitten. Verstehen Sie das Argument, dass Salzburgs Überlegenheit für die Liga schlecht sein kann? Ist andererseits die Unterforderung im Alltag vielleicht auch der Grund dafür, dass der Klub noch nicht zu den europäischen Topadressen zählt?

Hütter: Red Bull Salzburg hat eine Supersaison gespielt. Es ist allerdings auch Fakt, dass Mannschaften wie Austria oder Sturm ausgelassen haben, sonst wäre Grödig nicht Dritter geworden. Ich glaube, es wird diesmal spannender. Rapid unter Barisic und Austria unter Baumgartner werden funktionieren. Jeder macht sich Gedanken, wie man Red Bull Salzburg näherrücken kann. Die Liga ist keine Unterforderung, sonst hätte Salzburg in der Europa League nicht so gute Ergebnisse erzielt. Natürlich haben wir eine sehr hohe Qualität im Kader und sind der Favorit, da braucht man nicht herumzureden.

Standard: Trotzdem: Wäre es nicht besser, hätten Rapid, die Austria, oder Sturm zumindest einen kleinen Mateschitz im Hintergrund? Bei den anderen Vereinen geht es in erster Linie darum, wie man die Abgänge kompensieren kann.

Hütter: SV Grödig hat bewiesen, dass es auch mit einem Drei-Millionen-Euro-Budget geht. Mit guter und konsequenter Arbeit kann man überall viel rausholen.

Standard: Sie haben leicht reden, sind in einer Ausnahmesituation. Österreichische Fußballer wollen unbedingt ins Ausland, sogar Mittelständler in der zweiten deutschen Liga sind für sie attraktiver. Kann das auf die Dauer gutgehen, wenn die Besten oder Zweitbesten ständig abhauen?

Hütter: Es ist klar und legitim, dass die Spieler sich sportlich weiterentwickeln wollen und dabei auch ganz andere finanzielle Möglichkeiten vorfinden. Wir haben trotzdem junge Spieler mit Talent, die nachrücken. In den Akademien wird mittlerweile sehr gut gearbeitet. Österreich ist eben ein Fußball-Entwicklungsland.

Standard: Welche Erkenntnisse hat Ihnen die WM gebracht?

Hütter: Ich habe relativ wenige Spiele gesehen, weil bei meinem neuen Klub und in meiner neuen Aufgabe sehr viel zu tun ist. Das Niveau passte, Revolutionäres gab es aber nicht. Der Fußball wurde in Brasilien nicht neu erfunden.

Standard: Sie beginnen die Titelverteidigung ausgerechnet gegen Vizemeister Rapid. Christian Haas, ihr Chef in Grödig, hatte immer davon geträumt, dass der Bus der Hütteldorfer einmal vor der Untersbergarena parkt. Jetzt steht er halt vor der Red Bull Arena. Unromantisch. Was ist für Sie Rapid jetzt? Punktelieferant? Außenseiter?

Hütter: Haas hat sich seinen Traum tatsächlich erfüllt. Mein Traum ist jetzt die Champions League. Rapid ist ein lässiges Spiel mit vielen Zuschauern, die Mannschaft genießt meinen Respekt. Für uns geht es darum, unsere Ambitionen von der ersten Minute an deutlich zu machen. (Christian Hackl, DER STANDARD, 19./20.07.2014)