Roswita Königswieser, Königswieser & Network

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Veränderung braucht Zeit, Reflexion und Entschleunigung. All das, was im Alltag eines Change nicht möglich erscheint. Im immer gleichen Trott eines Schneller, Größer, Mehr bleibt aber vieles beim Alten. Veränderung geht anders: Andere Haltungen werden verlangt, andere Perspektiven werden notwendig. Was aber im Alltag eines Change im immer schärferen Wettbewerb vorgegeben wird, gilt in zunehmendem Maße auch für den Bereich der Weiterbildung - mehr Effekte in immer kürzerer Zeit werden nachgefragt und auch angeboten. Ob das wirklich Sinn macht?

"Immer wieder haben wir damit gerungen und uns gefragt, ob Manager überhaupt eine ganze Woche vom Unternehmen für eine Fortbildung wegbleiben können - oft kommt das zu teuer und ist auch zu lang." Dennoch sei man zu der Erkenntnis gekommen, dass unter einem zeitlich verkürzten Format die Qualität enorm leiden würde."

Sinn von Kompaktformaten

Roswita Königswieser, geschäftsführende Gesellschafterin von Königswieser & Network, gehört zum Nukleus der systemischen Berater und Trainer in Österreich. Mit anderen systemischen Beratern und Trainern wie Rudi Wimmer (osb-i) oder Fritz B. Simon bietet Königswieser gemeinsam das Format der (systemischen) Gruppendynamik an, das sowohl zur Persönlichkeitsentwicklung (etwa einer Annäherung von Selbst- und Fremdbild) beitragen als auch zu einem tieferen Verstehen von Gruppen führen soll. Vor kurzem wurde der 25. Jahrestag begangen. Und seit kurzem wird auch darüber diskutiert, wie sinnvoll Kompaktformate im Bereich der Führungskräfteentwicklung sein können.

Wie bei vielen Formaten der Persönlichkeitsentwicklung gibt es auch hier Für und Wider, sagt Königswieser. Tatsache sei aber, dass viele Führungskräfte - besonders jene in Veränderungsprozessen - in den vergangenen Jahrzehnten durch diese einwöchige Ausbildung gegangen sind. Mit nachhaltiger Wirkung, wie sie betont. In dieser einen Woche komme Veränderung in Gang - unmöglich ginge das "auf Knopfdruck".

Erkenntnisse brauchen Zeit

Königswieser: "Veränderung muss über Gefühle gehen, über Erkenntnisse, die Zeit brauchen, um sickern zu können, um noch einmal durchgearbeitet zu werden. Das kann nicht noch schneller gehen, eine Woche ist ohnehin schon verhältnismäßig kurz." Denn Führungskräfte brauchen doch vor allem eines: Zeit, um reflektieren zu können. Sie brauchen Entschleunigung. Andererseits müsse aber alles immer noch schneller gehen: "Noch mehr einsparen, noch mehr Überstunden und diese extreme Atemlosigkeit", schildert Königswieser ihre Beobachtungen.

Erste und zweite Ordnung

"Wir arbeiten mit unseren Auftraggebern an genau diesen Dilemmata, dass es einerseits beschleunigt sein muss, dass es aber auf der anderen Seite Entschleunigung, Reflexion und das Nachdenken im Kollektiv braucht, um eine andere Qualität an Problemlösungsmustern zu erreichen, sodass es danach schneller gehen kann. Das ist ein Paradoxon." Change und Change sei eben nicht dasselbe, so Königswieser.

"Wir unterscheiden zwischen Veränderung erster und zweiter Ordnung", so die Beraterin. Wobei die Veränderung erster Ordnung ein "Mehr-Desselben" bezeichne und bei jener zweiter Ordnung "Dinge anders wahrgenommen werden". Eine andere Haltung zu Veränderungen, zu Herausforderungen habe eine "entdramatisierende Wirkung". Königswieser: "Diese Haltung besagt: 'Widersprüche werden wir nie vollends lösen können'. Und allein damit ist sofort eine 'Entstressung' da. "Das Leben ist nicht so, dass man alles erledigt, und dann ist es gut. Wir müssen einfach ständig wurschteln", so die Beraterin entspannt. Die Fähigkeit, mit Veränderung und vor allem mit Unsicherheit umzugehen, sieht Königswieser als die Kernkompetenz schlechthin. Mit Unsicherheit, Komplexität, mit Widersprüchen und Dilemmata umgehen zu können bezeichnet sie als den "Dreh- und Angelpunkt" für Erfolg im Berufsleben. Das sei auch die Fähigkeit, die im Rahmen der Gruppendynamik erfahren und gestärkt werde.

Was ist wichtig?

"Das ist wie bei einem Brennglas: Als Teilnehmer sind sie in einer Situation, in der alles ungewohnt und unsicher ist und sie auf gar nichts zurückgreifen können, was sie kennen - außer auf sich selbst. Und der Fokus liegt darin zu gestalten, Verantwortung zu übernehmen und zu führen", so Königswieser. Hilfreich sei dies auch, weil man erleben könne, wie und dass einem die Gruppe auch Halt gibt, die Qualität des Austausches, der Reflexion, und dass die vielen Feedbackschleifen die Teilnehmenden unterstützen, diese Kernkompetenz zu kultivieren. Warum das nicht in drei statt sieben Tagen möglich sei?

Königswieser: "Es werden im Zuge der Gruppendynamik auch tiefe Themen aufgerissen. Themen, die zwar auch in der doppelten Anzahl an Tagen nicht komplett erledigt, aber anders bearbeitet sind und in einem weiteren Prozess weitergeführt werden können. Die Gefahr bei kompakten Formaten sehe ich darin, dass man nach dieser kurzen Zeit glaubt: 'Jetzt hat man's.' Menschen sind keine Maschinen, und sicher ist für mich, dass unter diesem Schnell-Kurz-Beschleunigt die Qualität nur leiden kann." (Heidi Aichinger, DER STANDARD, 19./20.7.2014)