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Michael Spindelegger und Werner Faymann droht die Koalition um die Ohren zu fliegen: Die SPÖ wähnt den Vizekanzler im Streik, die ÖVP den Kanzler im Keller.

Foto: APA/Hochmuth

Heinz-Christian Strache genießt den Sommer. An den Wörthersee geht es, und auch Ibiza darf nicht fehlen. Schlagzeilen macht der FPÖ-Chef als Partytiger, von der Politik hält er sich fern. Allenfalls vielleicht ein flüchtiger Blick in die Umfragen, wo die blauen Werte nach oben klettern.

Warum sich auch die Ferien mit Arbeit verderben? Den Job der Opposition erledigen eh die Koalitionsparteien selbst. In einer Endlosschleife fliegen da die Gemeinheiten hin und her - die ÖVP wähnt den Kanzler im Keller, die SPÖ den Vizekanzler im Streik. So alt schaut der "neue" Stil aus, dass der Glaube an eine gemeinsame Zukunft schwindet. Der steirische Landeshauptmann Franz Voves prophezeit der rot-schwarzen Ehe die baldige Scheidung, der rote Gewerkschaftschef Wolfgang Katzian sagt: Wenn nichts mehr weitergeht, mache die Koalition keinen Sinn.

Hinter beiden Sagern stecken wohl auch taktische Motive, doch um Einzelmeinungen handelt es sich nicht. Auf beiden Seiten fehlt vielen die Fantasie, wie SPÖ und ÖVP aus jenem "Patt" (Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner) herauskommen sollen, in dem sie in der Causa prima - der Steuerreform - gelandet sind.

Spindelegger im Bunker

Für die Sozialdemokraten ist naturgemäß Michael Spindelegger der Hauptschuldige. Der ÖVP-Chef und Vizekanzler betoniere sich in seiner Maximalposition - keinerlei Steuererhöhungen zur Finanzierung einer Lohnsteuersenkung - ein, obwohl ein verträglicher Kompromiss auf der Hand liege. Man sei durchaus bereit, vom Herzenswunsch einer allgemeinen Vermögenssteuer abzugehen, heißt es in roten Kreisen, wenn dafür die Grundsteuer, die sich derzeit nach völlig veralteten und damit extrem günstigen Werten bemisst, kräftig angehoben wird. Die SPÖ könnte sich rühmen, mit den Immobilien zwei Drittel des Privatvermögens erwischt zu haben, die ÖVP sich brüsten, den Griff in die Schmuckschatullen verhindert zu haben. Doch Spindelegger, das bestätigen Rote wie Schwarze, zeigt in der Steuerfrage auch hinter den Kulissen keinen Millimeter Bewegung.

Bemerkenswert dabei ist: Auch ÖVP-Politiker halten dieses Njet für stur und kurzsichtig. Das Wesen einer Koalition bestehe nun einmal darin, dem Gegenüber am Ende entgegenzukommen, sagen die Kritiker, die selbstredend ungenannt bleiben wollen. Wer sich einbunkere wie Spindelegger, verbaue jede Exitstrategie.

Kassandra wird nicht gewählt

Weiterer Grund für Kopfschütteln über den eigenen Chef: Nicht nur SP-Minister, auch Parteifreunde waren genervt vom Drama, das der Finanzminister um das angeblich ausufernde Budget veranstaltete. Spindelegger müsse doch schnallen, dass so ein Theater der ganzen Regierung auf den Kopf falle, kritisiert ein VP-Politiker: "Im besseren Fall glauben die Leute, wir haben das Budgetloch übersehen - im schlechteren, dass wir es verschwiegen haben." Wähler erwarteten sich von Politikern, Probleme geräuscharm zu lösen, "und nicht ständige Warnungen, dass alles den Bach runtergeht. Kassandra wird nicht gewählt."

Sogar der sozialdemokratische Sozialminister Rudolf Hundstorfer, den Spindelegger wegen der steigenden Pensionskosten in die Mangel zu nehmen versuchte, stößt da auf Verständnis in schwarzen Reihen: "Was soll Hundstorfer denn tun, wenn ein Konjunkturknick die Kosten nach oben treibt? Plötzlich keine Pensionen mehr auszahlen?"

Faymann als Bremser

Verteidiger Spindeleggers haben darauf eine Antwort, die der SPÖ nicht schmecken wird. Ja, eine Pensionsreform bringe keine raschen Einsparungen, doch es gebe auch einen schnellen Weg: keine Inflationsanpassung für die Pensionisten. Für kommendes Jahr gibt es einen gegenteiligen Koalitionsbeschluss, den diese Woche auch die ÖVP bestätigt hat. Doch für die Zeit danach könnten die Schwarzen darauf drängen, die Rentner kurzzuhalten - womit der nächste Wirbel droht.

Spindelegger drücke aus gutem Grund auf die Tube, sagen seine Fürsprecher, "denn ohne öffentlichen Druck kriegst du bei der SPÖ gar nichts durch". Von allein greife Kanzler Werner Faymann nie ein heißes Eisen an, schon gar nicht vor seinem Wiederwahl-Parteitag im November - lieber schaue er nur zu, wie die Gewerkschaft für seine Millionärssteuer Propaganda mache.

Träume von neuer Mehrheit

Hinter allem Streit stecke aber ein Kernproblem, sagt ein VPler: "Nach Jahren der Zwangsehe hassen sie bei uns die SPÖ mehr als Grüne und FPÖ." Für die Gegenseite gilt Ähnliches, doch was ist die Alternative? Neuwahlfantasien haben in der SPÖ wohl mehr Anhänger als in der ÖVP. Denn während Letztere Platz drei fürchten müsste, nähren manche Umfragen rote Träume: dass sich eine Mehrheit mit Grünen und Neos hauchdünn ausgehen könnte. (Gerald John, DER STANDARD, 18.7.2014)