Das Siegel des Ersten Weltkriegs ist auch auf die Mediengeschichte gedrückt. Dies wird in der aktuellen Debatte 100 Jahre später mehr als deutlich. Die vom amerikanischen Historiker und Diplomaten George F. Kennan im Kalten Krieg geprägte Formel vom Ersten Weltkrieg als der "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" kann auch als stabiles Deutungsmuster für die Medienentwicklung gelten.

Umdeutung von Soldaten zu Menschenmaterial

Die Wende in der "Kultur des Krieges" (John Keegan) war drastisch: Sie bedingte nicht nur die Umdeutung von Soldaten zum Menschenmaterial und raubte dem Leben wie dem Sterben der Soldaten auch noch den letzten Rest menschlicher Würde; sie machte auch eine nur durch technische Grenzen und ökonomische Ressourcenknappheit bezähmte Radikalisierung der Gewaltanwendung möglich.

Diese Radikalisierung wurde vor allem auch durch die öffentliche Kommunikation ermöglicht, begünstigt und intensiviert. Der Krieg brach nach der Balkankrise ja keineswegs plötzlich oder überraschend aus, denn zwischen den Pistolenschüssen von Gavrilo Princip am 28. Juni 1914 und der Kriegserklärung Englands am 4. August lag eine Spanne intensiver öffentlicher Diskussionen.

"Mammonismus"

Der Krieg wurde in den Medien argumentativ vorbereitet und öffentlich allerorten als Verteidigungskrieg legitimiert, ja von vielen Zeitgenossen als Ausbruch aus der bürgerlichen Enge und dem "Mammonismus" geradezu herbeigeschrieben und von gesellschaftlichen wie akademischen Eliten mit tätiger Mithilfe der Medien und der JournalistInnen begrüßt.

Die Rolle der Vierten Gewalt wurde bis auf wenige Ausnahmen durch eine patriotisch-nationalistische Parteinahme im Dienste des jeweiligen Vaterlandes aufgehoben. Die Zensur braucht oft gar nicht einzugreifen - oft wurde das im vorauseilenden Gehorsam durch die Redaktionen selbst erledigt.

Glauben, was geschrieben war

Dazu kommt, dass die Aussagen der jeweiligen publizistischen, politischen, militärischen und akademischen Eliten anfangs glaubwürdig waren. Die allumfassende Kriegspropaganda, die wie so vieles neu im Ersten Weltkrieg war, traf anfangs nicht auf ein skeptisches und kritisches Publikum, sondern die Menschen hatten noch keine Erfahrung mit einer solchen Maschinerie und waren gewohnt, an das zu glauben, was geschrieben stand (wie dies etwa Brigitte Hamann darlegt).

Dies wandelte sich mit Fortgang des Krieges, denn das Vertrauen schwand und wurde nur teilweise durch glaubensähnliche Narrationen (wie dem "Fronterlebnis", dem "Siegesglauben" und dem Glauben an die gerechte Sache) ersetzt. Aktuelle Ausstellungen (wie "Extraausgabee -! Die Medien und der Krieg 1914-1918", Wien) zeichnen dies nach.

Auch aus Perspektive des Verhältnisses von Krieg und Medienkultur stellt der Erste Weltkrieg also eine Zäsur dar. Er war das erste globale Medienereignis, ein Kampf um Begriffe und Bilder, um Sympathie und Anerkennung, in dem entschieden werden sollte, nach welchen sprachlichen Mustern und nach welchen allgemein akzeptierten Legitimationsformeln der Krieg zu deuten sei.

John Dewey spricht 1927 in seinem klassischen Aufsatz "The Eclipse of the Public" von der Neuartigkeit des Großen Kriegs. "Nicht bloß Soldaten, sondern die Finanz, die Industrie und die Meinungen wurden mobilisiert und vereinigt." Dewey erkennt trotz des geringen zeitlichen Abstands, dass eine der vielen Devastierungen des Kriegs auch die Öffentlichkeit betrifft.

Der Vergleich der Kriegsversprechen und der Darstellungen des Kriegs mit den lebensweltlichen Umständen löste einen epochale Krise der politischen Kommunikation aus, denn Kommunikation wurde vom Versuch der Verständigung zum Teil eines totalen Krieges und damit zur strategischen und taktischen Ressource.

Der Erste Weltkrieg war nicht nur der erste europäische Massen- und Materialkrieg, sondern auch der erste großangelegte Versuch der Meinungslenkung und Meinungsführerschaft durch staatliche und militärische Behörden mittels Zensur, Drohung, Überredung und Public Relations.

Erst diese nationalistischen Entfesselungen der öffentlichen Meinungen, die nur mehr Sieg oder Niederlage kannten und dem Feind alle menschlichen Qualitäten absprachen, machte politischen Messianismus quer durch alle politischen Lager möglich - mit zumindest für Deutschland weitreichenden Folgen. Mit der Zeile "Never such innocence again“ endet ein Gedicht von Philip  Larkin über den Ersten Weltkrieg - das stimmt wohl ganz besonders für die öffentliche Kommunikation.