Infografik: Der Standard

"Teilen Sie sich Ihre Kräfte gut ein, Sie werden sie noch brauchen“, ist am Beginn unserer Tour auf einem Schild zu lesen. Ein netter Hinweis, zumal wir ein 150 Kilogramm schweres Gefährt über Steigungen bis 27 Prozent bewegen müssen. Auf uralten Schienen am Rand des Naturparks Leiser Berge werden wir mit der Draisine von Ernstbrunn nach Asparn an der Zaya fahren.

Überholen? Einfach Draisine tauschen

Das erste Wort hat der Draisinenwart: "Nicht alkoholisiert fahren, festes Schuhwerk tragen und Obacht auf die Zwangsbremsanlage bei den Bahnübergängen." Und wenn man eine andere Draisine überholen will? "Dann einfach die Gefährte tauschen." So einfach geht das. Maximal vier Insassen fasst ein Gefährt, zwei treten, zwei feuern die Sportlichen an.

Zu Beginn geht es durch eine weite Feldlandschaft, die linker Hand vom Buschberg und dem Naturpark Leiser Berge begrenzt wird. Von Anfang an macht das Gerät Spaß. Die beiden jüngeren Passagiere in der Mitte klatschen vergnügt den Tret-Rhythmus, der Allerjüngste bestimmt als Draisinen-Kommandant das Tempo: eins, zwei, eins, zwei. Und dann - die erste Zwangsbremsanlage! Vollbremsung, einer muss aussteigen, den Hebel umlegen und ihn wieder in die Anfangsposition zurückbringen. Weiter geht’s.

Um Niederleis ist mit 27 Promille das steilste Stück zu bewältigen - vor 100 Jahren ein Problem, weil bei vereisten Verhältnissen zwei Loks notwendig waren, um den Zug über die Steigung zu ziehen. Für uns bestenfalls ein kleiner Keuchanfall. Die Geräte sind so übersetzt, dass die Steigung von jedermann zu schaffen ist.

Schauen ohne Lenken

Nach der kleinen Anstrengung haben wir Zeit zum Schauen: Wir passieren goldbraune Kornfelder, aus denen rote Mohnblumen herausleuchten, dann tauchen wir ein in kleine Eschen-, Akazien- und Apfelbaum-Haine. Die Angst, dass uns ein Schnellzug entgegenkommen könnte, ist unbegründet. Die über 100 Jahre alten Gleise sind seit 1999 für den Bahnverkehr stillgelegt. Das Schöne an einer Draisinenfahrt ist zudem: Es genügt zu treten, die Lenkerei entfällt, weshalb im Vergleich zum Radeln mehr Zeit bleibt, die Landschaft zu betrachten.

In Niederleis passieren wir das Schloss und einen alten Bahnhof. Dann wird die Landschaft wieder weiter, die in allen Grünschattierungen gefärbten "Kacheln" der Felder reichen bis zum Horizont. Alfred Komarek trifft es auf den Punkt, wenn er sagt, "das Weinviertel ist wie ein Meer, das aufgehört hat, zu wogen".

Eine Mahlzeit mit vier Aufstrichen

Nach einem völlig unproblematischen Auf und Ab erreichen wir die "Draisinenalm" Grafensulz - Pause. In diesem originalen Weinviertler Holzstadel werden regionale Heurigenspezialitäten angeboten - und das sogenannte "Draisinenbrot", eine Mahlzeit mit vier Aufstrichen.

Kurz nach der Rast erreichen wir den höchsten Punkt der Tour auf 298 Metern, wo das Pedalieren ein Ende hat und wir alleine durch das Gefälle Fahrt aufnehmen. Entspannt können wir uns zurücklehnen und den Fahrtwind genießen. Nur aufs Bremsen sollte man nicht vergessen!

Optionen für die Rückkehr

Nach insgesamt zweistündiger Fahrt mit der Draisine rollen wir in den Bahnhof von Asparn an der Zaya ein. Das bedeutet noch nicht automatisch das Ende der Tour, denn für eine Rückfahrt gibt es mehrere Möglichkeiten: Sportliche sollten in Asparn bereits ihr Fahrrad stehen haben. Auf verkehrsarmen Nebenstraßen und stillen Feldwegen via Garmanns und Eggersdorf steuern sie die Blauburger-Radroute an, die über Thomasl nach Ernstbrunn zurückführt (rund 14 Kilometer).

Die, die nicht mehr ganz sattelfest oder fit sind, nehmen entweder den Naturparkbus nach Ernstbrunn, das Zayataler Schienentaxi nach Mistelbach oder den "Nostalgie-Express Leiser Berge" nach Wien. (Thomas Rabauske, Album, DER STANDARD, 19.07.2014)