Bild nicht mehr verfügbar.

Gerald Baumgartner: "Wenn ein Match auf der Kippe steht, braucht die Mannschaft Antreiber, die das Allerletzte aus sich herausquetschen."

Foto: apa/epa/schlager

STANDARD: Die Fußball-WM ist beendet. Welchen Eindruck hat das Turnier bei Ihnen hinterlassen?

Baumgartner: Besonders auffällig war die totale Fitness der Spieler. Selbst bei hohen Temperaturen wurde ein beeindruckendes Tempo gegangen. Wer ein frühes Pressing spielen will, muss die nötigen körperlichen Eigenschaften mitbringen. Daran arbeiten wir bei der Austria tagtäglich. In der Vorbereitung haben wir die Intensität erhöht, das wird sich noch einige Wochen so fortsetzen.

STANDARD: Muss man diese Anforderungen schon bei der Transferpolitik berücksichtigen?

Baumgartner: Natürlich, sehen Sie sich zum Beispiel Salzburg an. Um ihr Spiel praktizieren zu können, holen sie dort ausschließlich schnelle und junge Spieler. Das verkürzt die Regenerationsphasen, man kann häufiger mit voller Kraft zu Werke gehen. Am Ende kommt eine Mannschaft heraus, die auch an einem schlechten Tag nur sehr schwer zu biegen ist.

STANDARD: Entsprechen die Neuzugänge der Austria Ihren Wunschvorstellungen?

Baumgartner: Es wurde professionell gearbeitet, man hat sich gezielt verstärkt. Der Abgang von Philipp Hosiner ist aber freilich ein großer Verlust. Als Trainer hofft man, so einen Spieler gleichwertig ersetzen zu können. Wer den Transfermarkt sondiert, weiß aber: Profis dieser Klasse gibt es nicht im Sonderangebot.

STANDARD: Man will also noch einen Stürmer holen?

Baumgartner: Auf jeden Fall. Wir haben zwar mit Martin Harrer bereits einen neuen Spieler für den Angriff verpflichtet, der fühlt sich aber hinter den Spitzen und an der Außenbahn wohler. Den Schritt von der Ersten Liga zur Wiener Austria muss man auch erst einmal bewältigen.

STANDARD: Hätten Sie den gesuchten Stürmer nicht schon gerne in der Vorbereitung zur Verfügung gehabt?

Baumgartner: Als Trainer ist man immer ungeduldig, am liebsten hätte man die ganze Mannschaft am ersten Tag. Man darf aber auch nichts überstürzen, so ein Transfer muss wohlüberlegt sein, um das Risiko so gering wie möglich zu halten.

STANDARD: Ist der klassische Stürmer nicht ohnehin ein Auslaufmodell?

Baumgartner: Man darf sich nicht täuschen lassen. Spanien war lange Zeit außerordentlich spielstark und kam auch ohne nominelle Angreifer gut aus. Das ist aber eine Ausnahme. Alle großen Mannschaften in der Champions League haben Topstürmer. Bei Salzburg schießen Soriano und Alan Tore am Fließband.

STANDARD: Als Schlüssel zum Erfolg wurden zuletzt andere Positionen ausgemacht, zum Beispiel das defensive Mittelfeld. Was erwarten Sie von einem Sechser?

Baumgartner: Wenn wir mit zwei Sechsern antreten, muss die Mitte dicht sein. Spielstarke Gegner sollen es schwer haben durchzukommen. Bei Ballgewinn folgt der Spielaufbau in die Spitze, der Sechser muss auch selber torgefährlich werden. Wir sind an dieser Position mit Mario Leitgeb, James Holland und Florian Mader sehr gut besetzt.

STANDARD: Sehen Sie noch andere Schlüsselpositionen?

Baumgartner: Im Grunde ist jede Position wichtig. Ich sehe eher einzelne Spieler als Schlüssel zum Erfolg, unabhängig von deren Position. Wenn ein Match auf der Kippe steht, braucht die Mannschaft Antreiber, die das Allerletzte aus sich herausquetschen.

STANDARD: Haben Sie solche Spieler bei der Austria zur Verfügung?

Baumgartner: Unser Kapitän Manuel Ortlechner ist so einer. Der Trainer braucht einen verlängerten Arm auf dem Spielfeld, in einem vollen Stadion kann man das Coaching auf dem Platz schlecht hören.

STANDARD: Als Spieler mit großer Perspektive gilt der erst 17-jährige Sascha Horvath. Wie planen Sie mit ihm?

Baumgartner: Sascha ist ein guter Junge, ein sehr großes Talent. Er ist quirlig und ballsicher. Aber er muss noch einen langen Weg gehen, um der Topspieler zu werden, der er selber sein will. Er war letzte Woche angeschlagen und fährt nun zur U19-EM. Er verpasst also einen Teil der Vorbereitung.

STANDARD: Wird er als Austria-Spieler in die Saison gehen?

Baumgartner: Es gibt für einen jungen Spieler zwei Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln: über den Bewerb oder über das Training. Wenn er verliehen wird und anderswo fix spielen kann, ob nun erste oder zweite Liga, ist das auch eine gute Sache. Wir wollen, dass er weiterkommt. Er bleibt aber so oder so ein Spieler der Austria.

STANDARD: Welches Verhältnis pflegen Sie generell zu Ihren Spielern?

Baumgartner: Der Trainer soll kein Haberer sein. Ein guter Draht ist wichtig, aber immer mit der notwendigen Distanz. Ich versuche ein guter Lehrer, Trainer und Mentalcoach zu sein. Auch die Spieler sind sensibel, man muss auf sie eingehen. Ein gutes Selbstvertrauen ist die halbe Miete, sonst helfen auch die beste Fitness und Taktik nichts. Das Gesamtpaket muss stimmen.

STANDARD: Dass die Austria nicht europäisch spielt, ist auf dem Weg dorthin vermutlich kein Nachteil.

Baumgartner: Es ist natürlich schade, dass der Verein sich nicht für die Europa League qualifizieren konnte. Gezwungenermaßen muss ich aber auch die positiven Seiten sehen. Wir haben mehr Zeit, die Neuzugänge zu integrieren, und können uns voll auf die Meisterschaft konzentrieren.

STANDARD: Einer Ihrer Vorgänger war Joachim Löw. Er wurde hier gefeuert und ist nun mit Deutschland Weltmeister. Ist der Fußball nicht ein unlogisches Geschäft?

Baumgartner: Der Fußball kann manchmal verrückt sein. Wichtig ist es für einen Trainer, die Spiele zu gewinnen. Bei der Austria stellt sich noch die Frage, wie man sie gewonnen hat. (Philip Bauer, DER STANDARD, 17.7.2014)