Seit dem Beginn der neuen militärischen Konfrontation um den Gaza-Streifen werden Online-Anwendungen, die vor unmittelbaren Raketenangriffen warnen, in Israel massenhaft auf Computern und Mobiltelefonen installiert. Ein halbe Million Nutzer haben inzwischen "Red Alert" auf ihrem Smartphone. Die Warn-Apps haben den Begleiteffekt, den Psycho-Krieg zu verstärken.

Alltägliches Service-Tool 

"Red Alert" ist in besonders betroffenen Regionen Israels zum alltäglichen Service-Tool geworden, seit der Beschuss aus dem Gazastreifen sprunghaft zunahm. Parallel zu den Sirenen ertönt auf dem Mobiltelefon ein Warnton, den der Besitzer individuell auswählen kann.

Seit Dienstag vergangener Woche wurden bereits über 1.200 Raketen und Mörsergranaten von Islamisten in Gaza abgefeuert. Meist landeten sie in einem Radius von 50 Kilometern in Südisrael, aber oft waren sie auch auf die Großstädte Tel Aviv, Jerusalem und Haifa gerichtet, das ganz im Norden liegt. Der Nutzer kann kleinräumig festlegen, für welches Gebiet er alarmiert werden will. Aber die meisten Israelis setzen im Auswahlmenü ihr Häkchen bei "Alle Orte".

"Verdammt furchteinflößend"

"Wenn die App wegen eines Alarms hier in Tel Aviv klingelt, bin ich wegen der Sirene ja schon im Treppenhaus und renne in den Schutzraum. Ich habe sie vor allem, um die Lage im ganzen Land besser einzuschätzen. Aber ich weiß nicht, ob ich die App behalte, denn das ist verdammt furchteinflößend", räumt Sophie Tajeb ein, eine 37-jährige Angestellte der Stadtverwaltung in der Großstadt an der Küste.

"Red Alert" soll so auch vermitteln, wie es den Verwandten und Freunden in anderen Orten geht. Aber dadurch fördert sie das subjektive Gefühl, sich im allgemeinen Kriegszustand zu befinden. Dabei haben die hochentwickelte Raketenabwehr und die gut eintrainierte Nutzung von Schutzräumen dazu geführt, dass es auf israelischer Seite bisher nur einen Toten und vier Schwerverletzte gibt.

Arbel, Erfinder der so unnützen wie angesagten App "Yo", hat sich unterdessen mit "Red Alert" zusammengetan, um die Anwendung anzupassen. Ende Juni hatte er für seine Entwicklung, die zu variablen Anlässen nur das Wort "Yo" (Slang für "Du da") verbreitet, eine Million Dollar Risikokapital eingetrieben. Künftig will er laut Presseberichten geolokalisierte Warnungen wie "YOALERTJERUSALEM" auf die Handys pushen.

 "Secure Spaces" 

Sinnvoller ist wohl die Applikation "Secure Spaces" (also "Sichere Orte"), die auf einer interaktiv nutzbaren Google-Karte im Bedarfsfall die jeweils nächstgelegene Schutzmöglichkeit angibt. Das können zum Beispiel kleine Betonkammern sein, die in Israels Süden häufig an Haltebuchten oder in Tiefgaragen platziert wurden.

Ein Renner ist auch die Handy-App "Anti-Kidnap". Seit der Entführung und Erschießung von drei jungen jüdischen Autostoppern im Westjordanland Mitte Juni und der Verschleppung und Ermordung eines 16-jährigen Palästinensers als Vergeltungstat wurde die Anwendung auf 100.000 Mobiltelefonen installiert. "Der Nutzer muss sich bei uns anmelden. Im Entführungsfall versucht er, schnell und heimlich den Button SOS zu drücken. Via GPS kennen wir seinen Aufenthaltsort und binnen drei Minuten sind Einsatzkräfte unterwegs", versichert der Erfinder Dov Maisel im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP.

Kritisiert wird in Israel, dass all diese Initiativen privat gestartet werden mussten. Die im Verteidigungsministerium angesiedelte Abteilung für Heimatschutz hatte vor zwei Jahren groß angekündigt, die Sirenen durch ein auf SMS basiertes Alarmsystem zu ergänzen. Budgetmittel wurden dafür üppig bereitgestellt. Aber das staatliche elektronische Warnprogramm der "Start-up Nation" lässt weiter auch sich warten. Auf Anfrage antwortete eine Sprecherin der Streitkräfte knapp "Da arbeiten wir noch dran." (APA, 16,7, 2014)