"Ich hab aber nicht sofort zu allem eine Meinung und bin auch nicht so wichtig": Der Tiroler Autor und Dramatiker Felix Mitterer gestaltet heuer ein dreitägiges Programm bei den Gmundner Festwochen.

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STANDARD: Ein Lokalpolitiker hat bei der Eröffnung der Salzkammergut-Festwochen Ihre Ehrlichkeit hervorgehoben. Ist Ihre Ehrlichkeit so besonders?

Felix Mitterer: Ich habe dazu keine Meinung, wie andere mich sehen. Ich bin halt, wie ich bin. Völlig unabhängig von dem betreffenden Politiker aber muss ich sagen: Diese Ehrlichkeit, die kann ich mir ja leisten. Und dass sich Politiker das nicht leisten können, ist ganz entsetzlich.

STANDARD: Sie haben 15 Jahre in Irland gelebt. Wie war Österreich aus der Entfernung betrachtet?

Mitterer: Als ich wegging, war ich sehr müde. Ständig haben Journalisten angerufen, ich solle doch bitte dazu und dazu etwas sagen. Ich hab aber nicht sofort zu allem eine Meinung, und ich bin auch nicht so wichtig. Mir war das dann irgendwann zuwider. Ich bin also nach Irland gegangen, um Österreich hinter mir zu lassen, und habe versucht, mich dort einzuleben. Habe dort die Bezirkszeitungen gelesen, um zu wissen, was los ist. Irland erlebte damals einen Wirtschaftsaufschwung, die Schlagzeilen lauteten: "Wir werden jetzt bald so reich sein wie die Deutschen". Und plötzlich gab es Korruption, Bestechung. Es war alles genauso wie anderswo.

STANDARD: Banal ausgedrückt: Anderswo ist es auch nicht besser?

Mitterer: Ja, und überall muss man natürlich dagegen ankämpfen.

STANDARD: Wer hat denn für den diesjährigen Literaturschwerpunkt die Auswahl besorgt?

Mitterer: Ich. Und ich fand, nachdem ich Dramatiker und Drehbuchautor bin, sollte man auch Theater sehen und Filme, von denen ich meine, dass sie wichtig für meinen Weg sind. Ich habe etwa Peter Mitterrutzner gebeten, er spielt seit 20 Jahren Sibirien. Mitterrutzner wird auch mit Julia Gschnitzer Mein Ungeheuer lesen - meine einzige autobiografische Arbeit. Robert Dornhelm kommt ebenfalls, wir zeigen den Film Requiem für Dominic, diese ungeheure Geschichte über den vermeintlichen Schlächter von Temeswar.

STANDARD: Gezeigt wird auch "Der Patriot". Ein Stück, in dem Sie die Hauptfigur, Franz Fuchs, und seine Attentate in direkten Bezug zur schwarz-blauen Regierungsbildung setzen.

Mitterer: Ich muss sagen, Franz Fuchs war mir sowas von zuwider. Seine bajuwarische Befreiungsarmee - allein das Wort "bajuwarisch" hab ich nicht ausgehalten. Und dann kam Anita Ammersfeld vom Stadttheater in der Wiener Walfischgasse und fragte, ob ich da nicht was schreiben möchte. "Wir sehen die Wahlplakate und hören die Sprüche", meinte sie, da müsse man doch etwas schreiben. Ich hatte das Glück mit dem Gerichtspsychiater Reinhard Haller sprechen zu können, demgegenüber sich Franz Fuchs ja als Einzigem geöffnet hat. Und dann kriecht man irgendwie in einen Menschen hinein - und ich dachte nur noch: Du armes Schwein du, so hochbegabt und so fehlgeleitet. Das war die eine Seite, die andere aber war, dass sich die Politik so leicht von ihm verabschiedet hat, als er sich dann umgebracht hat. So, als sei er nur ein Einzelner gewesen, der ja niemanden etwas angehe.

STANDARD: Gab es damals von der Politik Reaktionen auf das Stück?

Mitterer: Nein, das Stück war auch ganz schlecht besucht und ist nicht gut angekommen.

STANDARD: Wie wichtig sind reale Hintergründe für Ihre Arbeit?

Mitterer: Manchmal hab ich das Gefühl, ich hätte vielleicht zu wenig Fantasie und ich müsse deshalb alles der Wirklichkeit entnehmen, aber das stimmt nicht. Ich hab schon als Kind Krimis geschrieben und Science-Fiction-Geschichten, weil ich ja nur die Schundheftln der Knechte zum Lesen hatte. Ich lerne einfach gerne aus der Geschichte. Es ist spannend und auch erschreckend, wenn man sieht, wie sie sich ständig wiederholt. Als Mensch, der 1948 geboren ist, lässt mich auch die Nazizeit und die Art, wie damit umgegangen wird, nicht mehr los. (Wiltrud Hackl, DER STANDARD, 16.7.2014)