Er hat kein echtes Parteiprogramm, hat niemals sein Verhandlungsgeschick erprobt, er hat keine Erfahrung als Politiker und will sich in keiner Sache festlegen. Der slowenische Wahlsieger Miro Cerar, der mit seiner losen Truppe von Freunden die Wahlen am Sonntag auf Anhieb gewann, gibt von sich und seinen Zielen praktisch nichts preis. Die Slowenen haben den 50-jährigen Juristen aber trotzdem gewählt, ganz einfach weil er so normal und nett ist.

Der Sohn der Ex-Justizministerin Zdenka Cerar und des Ex-Turner-Idols Miroslav Cerar, der die slowenische Verfassung mitgeschrieben hat, scheint keinerlei Affinität zur Macht zu haben, und obwohl seine Partei nach ihm benannt ist, ist er völlig uneitel. Cerar könnte als Premier aufgrund seiner mangelnden Erfahrung und angesichts seiner erprobten Koalitionspartner, die mit ihren Interessengruppen viel Druck auf ihn ausüben werden, wohl am ehesten Moderator spielen. Er ist seit vielen Jahren in der Öffentlichkeit als ruhiger und nüchterner Erklärer bekannt, der nun offenbar für eine politische Kultur steht, nach der sich viele sehnen.

Denn Slowenien ist zwar ein hübsches, gemütliches, grünes Land, in dem sehr vieles funktioniert. Andererseits gibt es in diesem Idyll beeindruckend viele Unbesonnene und Extremisten, die Abnormität erzeugen wollen. Zuletzt hat sich der Bürgermeister von Ljubljana mit der Meisterleistung hervorgetan, die erfolgreiche Premierministerin Alenka Bratusek abzusägen, obwohl sie seine politische Erfindung war, die Regierung zu stürzen und sich selbst ins Aus zu stellen. Ein zweiter schwieriger Fall ist jener des ersten slowenischen Häftlings, der ins Parlament gewählt wurde.

Der Chef der konservativen SDS, Janez Jansa, der wegen eines Schmiergelddelikts im Gefängnis sitzt, hält seine eigene Partei in Geiselhaft und treibt sie in eine Ecke voll von Verschwörungstheorien, aus der sie nicht mehr so schnell herauskann. Dass die SDS noch am Wahlabend beschloss, die Parlamentsarbeit zu boykottieren, zeigt ihren Mangel an demokratischer Reife und Respekt vor dem Wähler. Doch der Schritt kommt nicht ganz unerwartet. Die SDS unter Jansa sieht sich als Opfer einer politischen Intrige und einer "kommunistischen Mafia" innerhalb der Justiz. Statt dass Jansa als Parteichef zurücktritt, schickt er seine Leute aus; um ihn zu rächen. Alles ist auf ihn fokussiert, nicht auf ein politisches Programm, und das ist schade, denn Slowenien bräuchte dringend eine seriöse Opposition, die gerade vor allem die Wirtschaftspolitik der neuen Regierung unter die Lupe nimmt.

Stattdessen verbarrikadiert sich der ehemalige Dissident und verdienstvolle Aktivist und lässt niemand anderen ran. Im Gegenteil. Parteigranden und die zwei Vizepräsidenten der SDS, Zvonko Cernac und Alenka Jeraj, wurden nicht ins Parlament gewählt. Unterstützung für die konspirative Weltsicht, wonach in Slowenien kommunistische Agenten die Fäden ziehen würden, erhält Jansa von der katholischen Kirche. Manche Priester predigten nun sogar, dass es eine Sünde sei, Jansa nicht zu wählen. Der Vatikan weigert sich, wegen dieser Politisierung einen Erzbischof zu ernennen. Als Reaktion gibt es kirchennahe SDS-Leute, die behaupten, dass deshalb auch der Papst ein Kommunist sei.

Kein Wunder, dass die Mehrheit der Slowenen angesichts solcher Wirrheit den supernormalen Miro Cerar wählte. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 15.07.2014)