In "Die große Versuchung" versucht ein Fischerdorf einen Arzt zu ködern.

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Wien - "Dann hören wir auf zu suchen, und fangen wir an zu finden." An Entschlusskraft mangelt es Murray (Brendon Gleeson), dem neuen Ortsvorsteher von Tickle Head, wahrlich nicht. Kaum hat sein Vorgänger das neufundländische Fischerdorf heimlich verlassen, um in der Großstadt Arbeit zu finden, übernimmt Murray energisch das Ruder und hat auch sofort eine Idee, um den verarmten Hafen zu retten: Eine Chemiefabrik soll neue Jobs schaffen.

Doch damit die im Helikopter einfliegenden Anzugträger anbeißen, müssen die gewieften Fischer dafür sorgen, dass sich ein Arzt im entlegenen Tickle Head niederlässt. Also platzieren Murray und seine engsten Freunde einen weiteren Köder, und alsbald zappelt der schöne Schönheitschirurg Paul (Taylor Kitsch) im Netz.

Bauernschläue und Naivität

Die große Versuchung, ein von Don McKellar inszeniertes Remake der frankokanadischen Komödie La grande séduction (2003), konzentriert sich in der Folge fast ausschließlich auf das Aufeinandertreffen von liebenswerter Bauernschläue und charmanter Naivität. Denn dass der zukünftige Landarzt nicht als überheblicher Großstädter eintrifft, sondern ihm die Augen für die wahren Werte des Lebens noch geöffnet werden können, schafft erst die Voraussetzung dafür, dass dieser Film seine Sympathiepunkte gleichmäßig verteilen kann.

Um Paul alle Wünsche von den Augen abzulesen, zeigen sich die Dörfler durchaus erfinderisch: Ob vorgetäuschte Vorliebe für das verhasste Cricketspiel oder eingefädeltes Anglerglück, alle Bewohner setzen alles in Bewegung, um bis zur Selbstverleugnung dem Neuankömmling zu gefallen. Ein Szenario, das Gelegenheit für diverse Running Gags und ausreichende Situationskomik bietet sowie Brendon Gleeson die idealtypische Vorstellung eines bärbeißigen Anführers möglich macht.

Das erinnert an die Erfolgsformel von Filmen wie Willkommen bei den Sch' tis, in denen der Lokalpatriotismus mit einer verschwommenen Sehnsucht nach Idylle zusammenfällt. Denn auch für Die große Versuchung gilt: Was klein ist, darf klein bleiben, aber nicht klein denken. Und das hat in Tickle Head sogar ein Bankangestellter dem ihn ersetzenden Geldautomaten voraus.

Worauf Die große Versuchung unausweichlich hinausläuft, ist natürlich die Frage nach der Moral der hintersinnigen Unternehmung, und an diesem Punkt steuert McKellar wenig überraschend in sicheres Gewässer. Weil das Gemeinwohl auch in Neufundland nicht über das des Einzelnen gestellt werden kann, müssen Profit und Ehrlichkeit irgendwie zusammengehen - koste es in jeder Hinsicht, was es wolle. Not macht nämlich auch das Drehbuch erfinderisch, damit am Ende jeder dort landet, wo er von Anfang an hingehört. (Michael Pekler, DER STANDARD, 11.7.2014)