In Slowenien wird wohl jene Partei gewinnen, über die man am wenigsten weiß und auf die man deshalb am wenigsten wütend sein kann. Die SMC hat ihr Büro am Kongressplatz in der Altstadt von Ljubljana. Im Schaufenster hängt ein Bild von ihrem Namensgeber: Miro Cerar. Das Plakat sieht so aus, als würde Cerar Werbung für Brillen machen. Der Mann wirkt gebildet, gediegen, ernsthaft. In Slowenien tritt der Verfassungsjurist seit Jahren dann auf, wenn es gilt, nüchtern zu erklären und die hysterisch aufgeheizte Debatte abzukühlen.
Die Farbe seiner Partei ist Blau, was im Slowenischen auch "weise" bedeutet. Cerar hat noch dazu populäre Eltern. Seine Mutter ist Ex-Justizministerin Zdenka Cerar, Vater Miroslav Cerar war Kunstturner. Sohn Miro will nun Premier des kleinen EU-Landes werden, das seit Jahren mit einer schweren Finanz- und Bankenkrise und Politikern beschäftigt ist, die die Krise wegen ihrer Machtspiele verlängern.
Den Prognosen zufolge könnte er kommenden Sonntag bis zu 38 Prozent der Stimmen bekommen. Auch die Pensionistenpartei DeSUS wird wohl zulegen, die Sozialdemokraten dürften allerdings verlieren. Trotzdem wird es wohl zu einer Mitte-links-Koalition dieser drei Parteien kommen. Dass die Slowenen eine brandneue Partei zur stimmenstärksten Fraktion wählen dürften, hat beinahe schon Tradition. Bereits 2011 machten sie das kurz zuvor gegründete "Positive Slowenien" zum Wahlsieger. Die besten Aussichten haben in dem Land, wo über die Geschichte seit dem Zweiten Weltkrieg heftigst gestritten wird, offensichtlich jene, die sich konfliktscheu geben, die ein bisschen konservativ und ein bisschen sozialdemokratisch denken.
Keine neuen Steuern
Die rechten Parteien haben den Umfragen zufolge keine Chancen auf eine Mehrheit im Parlament. Der Chef der größten konservativen Partei, der SDS, Janez Janša, sitzt zudem seit knapp drei Wochen wegen eines Schmiergelddelikts im Gefängnis. Der Wahlkampf konzentriert sich auf ihn.
Das Programm der SMC ist hingegen äußerst schwammig, vor allem was die Wirtschaftspolitik betrifft. Der Ökonom Jože Damijan nennt die Vorschläge der Kandidaten schlicht "dumm". Er erwarte sich "gar nichts" von der kommenden Regierung. "Ich will keine neuen Steuern", sagt Cerar zum STANDARD. "Wir wollen die Verwaltung reduzieren", ist ihm noch zu entlocken. Ansonsten setzt er auf Korruptionsbekämpfung. Konkreter wird er nicht.
"Cerar hat bisher keine konsistenten Lösungen präsentiert", sagt der Politologe Marko Lovec. Vieles laufe ungeplant. Die Partei hat auch kaum Strukturen. Einige Leute der SMC waren früher bei den (aus dem kommunistischen Jugendverband hervorgegangenen) Liberaldemokraten. Die SMC wird auch von ein paar Professoren und dem Promi-Friseur Mič unterstützt. Lovec zitiert ein Sprichwort, das in diesen Tagen öfter fällt: "Drei Professoren, und ein Staat ist verloren."
Konsolidierungskurs fortsetzen
Die neue Regierung muss jedenfalls den Spar- und Konsolidierungskurs der amtierenden Premierministerin Alenka Bratušek fortsetzen, will sie nicht erneut das Vertrauen der EU-Institutionen und Finanzmärkte verlieren. Cerar, der trotz seiner langen Zeit als Parlamentsberater eine gewisse Naivität ausstrahlt, scheint dies mittlerweile verstanden zu haben. Nachdem er angekündigt hatte, die Telekom nicht privatisieren zu wollen, reagierten die Märkte negativ. Nun betont er, die Vorgaben der EU-Kommission erfüllen und die Privatisierungen nicht stoppen zu wollen.
Cerar muss zudem der "Angst vor den alten Onkeln" entgegnen. Er selbst wird verdächtigt, ein Lakai des Ex-Präsidenten und Ex-Kommunisten Milan Kučan zu sein. Die SMC beriet in einer eigenen Sitzung, wie man auf einen möglichen Beitritt Kučans reagieren solle, obwohl dieser das gar nicht erwog. Cerar beteuert, nichts mit den "alten Onkeln" zu tun zu haben, obwohl Kučan zufällig sein Nachbar sei. (Adelheid Wölfl aus Ljubljana, DER STANDARD, 10.7.2014)