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Es ist ein Ritual: Am Ende jeder Modeschau erscheint Giorgio Armani wie eine Lichtgestalt im sorgsam gedimmten Licht des Teatro Armani.

Foto: Reuters/Gonzalo Fuentes

Sein eigenes Unternehmen gründete Armani als knapp Vierzigjähriger im Jahre 1975.

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Mit Herrenmode machte sich Giorgio Armani einen Namen.

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Nein, seinen Geburtstag feiere Herr Armani nicht, heißt es aus der Pressestelle. Und auch die Zeitungen und Magazine würde man darum bitten, um das runde Datum kein Aufheben zu machen.

Wenn am heutigen 11. Juli Giorgio Armani 80 Jahre alt wird, dann werden die Medien dennoch voll sein mit Geburtstagsartikeln. Zu bedeutend ist der Jubilar, zu einflussreich sind seine Leistungen. Jedes andere Modehaus würde den Geburtstag zum Anlass nehmen, die Marketingmaschine anzuwerfen. Nicht so Armani - weil es das Oberhaupt des Unternehmens nicht will.

Vor 39 Jahren gründete Giorgio Armani mit seinem damaligen Lebenspartner Sergio Galeotti das auf seinen Namen lautende Modehaus. Zwei Generationen später hört noch immer alles auf den obersten Chef. Kaum eine Entscheidung, in die Armani nicht involviert ist. Kein Modeteil, kein Accessoire, das ohne sein Kopfnicken auf die Laufstege und in die Geschäfte kommt. "Es wäre absurd, wenn ich mit 85 immer noch selbst entwerfen würde", hat der Herr über ein Milliardenunternehmen vor vielen Jahren einmal gesagt. Derzeit schaut es so aus, als ob genau das der Fall sein könnte.

Beständigkeit

Armani ist ein Überlebender, ein Überbleibsel aus einer längst untergegangenen Welt. Während sich die Mode in den vergangenen Jahrzehnten radikal veränderte, blieb bei Armani mehr oder weniger alles beim Alten. Seine Kollektionen sähen heute nicht viel anders aus als vor zwanzig Jahren, ätzen seine Kritiker. Es gehe ihm um Beständigkeit, kontert Armani. Um Sicherheit. Um Vertrauen.

Das sind Worte, die man in der Mode selten hört. Normalerweise erfinden sich Modeschöpfer im Saisonabstand komplett neu. Das müssen sie, um in einem launenhaften Geschäft, das beständig nach Neuem lechzt, bestehen zu können. Bei Armani ist es genau andersrum: Seine Modeschauen im Teatro Armani in Mailand muten oftmals an wie Rituale. Gezeigt werden hier Variationen und Interpretationen. Der Hauptdarsteller ist aber immer der Stil, den Armani in den vergangenen vier Jahrzehnten definiert hat.

Die Farbe Greige

Der sich am Körper anschmiegende Blazer, die weichen Stoffe, die neutralen Farben, die Dominanz von Grau und Beige. Die Bedeutung von Armani liege darin, sagen manche, dass er den Menschen die Angst vor Mode genommen hat. Die Männer hat er weicher gemacht, die Anzugpanzer aufgebrochen, indem er das Innenleben der Sakkos entsorgt hat, und den Frauen hat er Stärke verliehen, indem er ihnen weibliche Uniformen für den Büroalltag lieferte. Damit befand sich Armani meist näher am Zeitgeist, als das viele seiner Kritiker wahrnehmen wollen.

Als Giorgio Armani Mitte der 1970er-Jahre mit seinem eigenen Label begann (zuvor arbeitete er als Einkäufer für das Mailänder Modehaus La Rinascente und als Designer für Nino Cerrutti), ging die Wirtschaft durch eine Nachkriegskrise. Die Garderobe der Bourgeoisie war dabei, ihre Bedeutung zu verlieren, die verschiedenen Jugendbewegungen verunsicherten durch ihre radikalen Gegenentwürfe. In dieser Situation setzte Armani auf ruhige Eleganz, auf Sicherheit, aber auch auf Bequemlichkeit.

American Gigolo

Geboren 1934 in Piacenza, war Armani in die Hochzeit Mussolinis hineingeboren worden. Sein Vater wurde nach dem Krieg wegen seiner Nähe zu den Faschisten eingesperrt, er selbst bei einer Explosion von Blindgängern schwer verletzt. Armanis Wurzeln liegen in einer von vielen Veränderungen geprägten bürgerlichen Welt. Ihr ist er bis heute treu geblieben, auch wenn er gegen ihre Zwänge und Konformitäten beständig rebellierte. Als er sein Modehaus gründete, war er knappe 40 Jahre alt. Ein Avantgardist ist man in diesem Alter meistens nicht mehr. Dafür allerdings jemand, der weiß, was er will.

Mit seinem Partner Sergio Galeotti an seiner Seite (er starb 1985 an Leukämie) baute er innerhalb kürzester Zeit eines der maßgeblichen italienischen Modehäuser auf. Als er 1980 den Film "American Gigolo" mit Richard Gere ausstattete, avancierte er zum beliebtesten Modedesigner Hollywoods. Ein Jahr später gründete er die jüngere Linie Emporio Armani, 1982 zierte er das Cover des "Time Magazine".

Heute ist Armani ein Koloss mit über 5000 Angestellten, 500 Geschäften und 13 Fabriken. Während vergleichbare Unternehmen längst an die Börse gegangen sind oder von den großen Modegruppen geschluckt wurden, ist Armani immer noch in Privatbesitz und verfügt über beträchtliche Bargeldreserven. Sein Leben lang, betont Armani des Öfteren, habe er nie jemanden um Geld bitten müssen. Armani ist der letzte Unbeugsame in einer Branche, in der der Turbokapitalismus besonders gravierende Spuren hinterlassen hat.

Spot für Versace und Prada

Das Produkt selbst ist in den letzten Jahren zum Symbol für Marketingversprechen herabgesunken. Was auf dem Laufsteg gezeigt wird, das unterscheidet sich bei den meisten Modehäusern komplett von dem, was später in den Geschäften liegt. Gegen diese Entwicklung hat sich Armani immer gestemmt. In den 1980er-Jahren spottete er über seinen Konkurrenten Versace, über dessen Laufsteg die Supermodels stolzierten.

Heute ist es Miuccia Prada, die er abschätzig als Handtaschenmacherin und nicht als Modedesignerin bezeichnet. Der amerikanischen "Vogue" strich er auf Jahre die Anzeigenbudgets, unangenehme Kritiker verbannte er von seinen Modeschauen. Auf die Frage nach seinem Nachfolger gibt er schon lange nur mehr ausweichende Antworten. Eine Stiftung solle geschaffen werden, hieß es zuletzt.

In der Modebranche ist Armanis Sturheit legendär. Es gehe ihm um das Produkt, wird er nicht müde zu betonen. Nicht um Partys oder Fernsehauftritte. Und auch nicht um Geburtstage. Selbst wenn es der seine ist. (Stephan Hilpold, Rondo, DER STANDARD, 11.7.2014)