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Will seinen erzwungenen Rückzug für nichtig erklärt wissen: Ex-Kommissar John Dalli.

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Ein seltener Gast bei Gericht: Kommissionspräsident Barroso.

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Luxemburg - Der im Streit geschiedene ehemalige EU-Gesundheitskommissar John Dalli hat vor dem Europäischen Gericht schwere Vorwürfe gegen die EU-Kommission erhoben. Dalli war im Herbst 2012 zurückgetreten, nachdem ihm zu enge Kontakte zur Tabakindustrie vorgeworfen worden waren. Der Malteser beteuert seine Unschuld und wirft EU-Kommissionschef José Manuel Barroso vor, ihn aus dem Amt gedrängt zu haben.

Dalli sprach am Montag vor dem Luxemburger Gericht von "Schikane". Er will erreichen, dass sein Rückzug für nichtig erklärt wird. Barroso hielt dagegen, Dalli sei als Kommissar damals nicht mehr tragbar gewesen.

"Gespräch war ein Hinterhalt"

Der Streit dreht sich um ein Treffen zwischen Barroso und Dalli am Nachmittag des 16. Oktober 2012. Zeitweise waren auch der Chefjurist der EU-Kommission sowie Barrosos Kabinettschef dabei. Dalli nannte das Gespräch einen "Hinterhalt".

Bei dem Gespräch konfrontierte Barroso Dalli mit den Schlussfolgerungen eines Untersuchungsberichts der EU-Antibetrugsbehörde Olaf, in dem von "unzweideutigen Indizienbeweisen" gegen Dalli die Rede war. Dieser habe davon gewusst, dass ein Bekannter von ihm von der Tabakindustrie Geld im Gegenzug für Einflussnahme auf anstehende EU-Rauchergesetzgebung verlangt habe. Dalli war für die Vorbereitung des Gesetzes zuständig.

Untersuchungsbericht vorenthalten

Dalli warf Barroso vor, dieser habe ihn überrumpelt. Er selbst habe nicht einmal den Anlass der Unterredung erahnt. "Ich kannte die Fakten nicht und konnte deshalb nicht (darauf) antworten", beklagte Dalli. So habe ihm Barroso den Untersuchungsbericht der EU-Antibetrugsbehörde vorenthalten. Er sei unfair behandelt worden und habe von vornherein keine Chance gehabt, im Amt zu bleiben. "Die Fakten wurden manipuliert, um zu dem zu kommen, was ich als eine vorherbestimmte Schlussfolgerung betrachte." Auch habe er nur dreißig Minuten Bedenkzeit erhalten und nicht, wie gefordert, 24 Stunden oder mehrere Tage.

EU-Kommissionschef Barroso erklärte, er habe keine Wahl gehabt, aus Furcht, die Affäre könne öffentlich werden, bevor die Kommission handeln konnte. "Ich konnte ihm das nicht geben, weil es dann undichte Stellen gegeben hätte." Dalli sei für ihn politisch unhaltbar geworden, nachdem er ohne Wissen der EU-Kommission Vertreter der Tabakindustrie getroffen habe. "Es war nicht klug von ihm, diese Art von Kontakten außerhalb der Kommission zu haben, in (seinem Heimatland) Malta", sagte Barroso. "Das war völlig unangemessen." Er habe Dalli in dem Gespräch die Chance geben wollen, die Anwürfe zu zerstreuen. Dies sei jedoch nicht gelungen. "Ich verlor mein persönliches und politisches Vertrauen in Herrn Dalli völlig."

Nach der mehrstündigen Zeugenbefragung am Montag soll der juristische Streit vor dem EU-Gericht am Dienstag weitergehen. Ein Urteil ist erst in einigen Monaten zu erwarten. (APA, 7.7.2014)