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Unterschiedlicher Zugang zum Optimismus: der Kanzler und sein Vize.

Foto: APA/Schlager

Wien - Bundeskanzler Werner Faymann kommt viel herum - und wo immer er hinkommt, erfährt er das: "Das Bild über Österreich ist ein sehr positives." Am Montag verschlug es ihn in die Hofburg, wo unter dem Dachstuhl der Redoutensäle viel Platz für Präsentationen und für heiße Luft ist. Dieser hohe Raum bot den Rahmen für die Präsentation des Wirtschaftsberichts - und für Faymann, der zum Besten gab, wie gut es Österreich eigentlich geht. Beispiel Arbeitslosigkeit: Da liegt Österreich traditionell "unter den Besten, man würde sagen: im Medaillenrang", sagt der Bundeskanzler.

Und weil es um den Wirtschaftsbericht geht, schwärmt er von den 40.000 Unternehmen, die im Export tätig sind, und prognostiziert, dass es bald 50.000 sein werden. Er lobt die Engagements in Südost- und Osteuropa, auch wenn es dort derzeit sehr viel schwerer als vor zehn Jahren ist, Geld zu verdienen - die Demografie werde aber jenen recht geben, die langfristig auf eine Erholung der Kaufkraft auf ebendiesen Märkten setzen.

Keine ideologische Kategorie

Stichwort Kaufkraft: "Realitätssinn ist angesagt, man muss sich den Aufgaben stellen und mit Optimismus an diese herangehen. Denn optimistisches Agieren bedeutet, sein Ziel mit Beharrlichkeit zu verfolgen. Wir müssen Maßnahmen zur Kaufkraftstärkung setzen. Dazu gehört auch das Instrument der Steuersenkung. An einer Steuersenkung führt kein Weg vorbei. Sie ist ein Mosaikstein in einer Kette von Maßnahmen, um die Kaufkraft zu stärken. Mehr Netto vom Brutto zu verlangen ist keine ideologische Kategorie, sondern vielmehr ein Motor, um die Nachfrage im eigenen Land zu stärken."

Höflicher Applaus für den roten Kanzler, der auf der Bühne vom schwarzen Vizekanzler und Finanzminister abgelöst wird. Dass dieser keine Eile hat, eine Steuersenkung durchzuführen, ist bekannt, doch auch Michael Spindelegger spricht vor dem hochkarätigen, aus Bankern und Generaldirektoren zusammengesetzten Publikum zunächst lieber von der guten Bilanz der Wirtschaftspolitik und von dem Optimismus, den er entfachen möchte.

Wie? "Es kann aufwärtsgehen, wenn wir uns gemeinsam an einen Tisch setzen", sagt der Finanzminister, bleibt dann aber die konkreten Folgerungen schuldig, indem er fortsetzt: "und die richtigen Beschlüsse fassen". Einzig, dass die Zahl der von Gesetzes wegen mit bestimmten Funktionen zu betrauenden "Beauftragten" in den Unternehmen gesenkt werden soll, kündigt er in seiner kurzen Rede an. So viel zum Thema "Entfesselung der Wirtschaft".

Dann treten in koalitionärer Einigkeit die Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) und der Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner auf die Bühne. Bures lobt die seit 2008 geschnürten Konjunkturpakete und die Entwicklung industrienaher Technologien. Konkreter wird auch sie nicht.

Als letzter Redner bekommt Mitterlehner das Mikrofon. Pflichtschuldig liefert auch er erst einmal ein optimistisches Bild ab, erzählt von den 4.000 Kindern, die bei der Eröffnung der Kinderuniversität waren - da sei ihm um die Zukunft nicht bang.

Aber Mitterlehner macht da nicht halt, er entwirft sofort ein zweites Bild. Und das ist düster. Er erzählt davon, wie ihn seine Kollegen auf internationaler Ebene fragen, welches Zukunftsbild Österreich habe, welche Themen es aufgreife, in welche Richtung es sich entwickeln wolle. Worauf er allenfalls sagen könne: "Wir diskutieren gerade die Steuerreform." Diese Diskussion verstelle den Blick auf alle wichtigen Themen.

Auch darauf, dass Österreich in internationalen Rankings zurückfällt. Auch darauf, dass die Krise in den Betrieben zu spüren ist. Auch darauf, dass etwa Forscher in Österreich keine Perspektive sehen, weil sie auch mit 40 noch keine Festanstellung haben.

Mitterlehners Fazit: "Wir brauchen einen Ruck nach vorne und nicht ein Gezerre, wie die Steuerreform ausschauen soll."

Danke, das war's. Die anderen Regierungsmitglieder wirken erleichtert, dass Mitterlehner nicht noch schärfer geworden ist, dass er bei der auf Harmonie angelegten Präsentation nicht wiederholt hat, was er Stunden zuvor über die "Salzburger Nachrichten" verbreitet hatte, dass nämlich die Regierung "im Vorwahlmodus" sei, nicht viel anders als vor sechs Jahren, als der damalige Finanzminister Wilhelm Molterer mit dem Hinweis "Es reicht!" Neuwahlen vom Zaun gebrochen hat. Wahlen, die - wie man sich in der ÖVP nur zu deutlich erinnert - für seine Partei mit einem Debakel geendet haben.

Lockerer - und härter

Der 157 Seiten dicke Bericht wird verteilt, für die Fotografen wird gelächelt, dann geht man zum Buffet. Aber da wird dem ÖVP-Chef und Finanzminister Spindelegger schon von Kameras und Mikrofonen der Weg verstellt. Jetzt wirkt Spindelegger lockerer als zuvor auf der Bühne - und in der Sache härter. Er erzählt von den Gesprächen, die er in der Vorwoche mit den einzelnen Ressortministern geführt, hat und von den Millionenbeträgen, die im Budgetvollzug fehlen.

Peanuts seien das sicher nicht, sagt der Minister, der Details nicht nennen will, weil er die Ergebnisse der Halbjahresbilanz erst dem Bundeskanzler präsentieren will. Aber: In allen Ressorts gelte es nachzubessern, das müsse auch der Koalitionspartner verstehen. Was nicht leicht werde: "Dass die SPÖ nicht gerne spart, das wissen wir eh!"

Wird der Ministerrat am Dienstag also zum Krisengipfel? Reicht es der ÖVP wieder einmal? Nein, es reicht nicht, sagt der ÖVP-Chef: "Das ist keine Krise, das ist kein Krisengespräch." (Conrad Seidl, DER STANDARD, 8.7.2014)