Freude am Wurfpfeilspiel: Paolo (G. Battiston) und sein Neffe (R. Prasnikar) im Film "Zoran".

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Wien - Paolo ist ein menschliches Ekel. Er trinkt oft und viel Wein in seiner Lieblingstaverne, verhöhnt seinen einzigen Kollegen, mit dem er unwillig in der Küche eines Altenheims arbeitet, verachtet den neuen Mann seiner Ex-Frau, obwohl er jeden Sonntag von den beiden zum Essen eingeladen wird, und niemand wäre überrascht, wenn ihm die ungepflegten Haare und der Vollbart bald bis zum Schmerbauch reichten.

Wenn jemand wie Paolo auf der Leinwand auftaucht, wartet man meist darauf, hinter der harten Schale einen weichen Kern zu entdecken. Denn möglicherweise ist Paolo in Wirklichkeit ein guter Kerl, der am Ende dem kleinen norditalienischen Dorf einen Gefallen erweist und sich damit rehabilitiert. Doch in Matteo Oleottos Komödie Zoran - Mein Neffe, der Idiot ist dies erstaunlicherweise nicht der Fall, und schon deshalb ist dieser Film im Gegensatz zu seinem Protagonisten eine freundliche Überraschung.

Oleotto verzichtet in seinem Langfilmdebüt auf eine eingehende psychologische Figurenzeichnung, er begnügt sich lieber - ganz Typenkomödie - mit den wesentlichen Charakteristika seines überschaubaren Ensembles: Dazu zählt neben Paolo, dem Giuseppe Battiston die nötige Unberechenbarkeit und körperliche Präsenz verleiht, vor allem dessen aus dem Nichts auftauchender 15-jähriger slowenischer Neffe Zoran (Rok Prasnikar). Der Gescheiterte und der Gescheitelte bilden fortan ein ungleiches Paar, das sich zudem bald mit einer besonderen Herausforderung konfrontiert sieht: Der beflissene Brillenträger Zoran ist ein Ass im Darts-Spiel und somit seinem sauflustigen Onkel für die anstehende Weltmeisterschaft in Schottland plötzlich sehr wichtig.

Zoran gerät in der Folge zunehmend zu einer Komödie, deren Protagonisten sich sowohl gegen die konventionellen filmischen als auch sozialen Spielregeln zu wehren beginnen. Denn Oleotto, der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat, feiert mit seinen Antihelden wiederholt und ausgiebig anarchische Momente des Widerstands und lässt auch seiner Erzählung genügend Freiheiten. Das führt die Handlung zwar mitunter auf Abwege, die etwa in slowenischen Wirtshäusern enden, macht aus Zoran aber einen mehrfach offenen Film: Die Erwartungen brauchen nicht immer erfüllt zu werden, um große Fragen ganz beiläufig mit zu verhandeln. Denn so wie im Kino zum Glück nicht alle Wege zur großen Läuterung führen müssen, so ist für alle, die mit Wurfpfeilen schießen, das Bullseye nicht unbedingt das beste Ziel. (Michael Pekler, DER STANDARD, 8.7.2014)