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Eduard Schewardnadse auf einem Archivbild aus dem Jahr 2009.

Foto: AP Photo/Shakh Aivazov

Tiflis/Wien - Anfang Mai 2000 begleiteten Journalisten, unter ihnen der Autor, die österreichische Außenministerin Benita Ferrero-Waldner als amtierende Vorsitzende der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bei einem Georgien-Besuch. Anlass war der Konflikt in der benachbarten russischen Republik Tschetschenien, wo bewaffnete Separatisten für die Unabhängigkeit kämpften. Russland beschuldigte Georgien, die Rebellen zu unterstützen. Seit Ende 1999 war eine OSZE-Beobachtermission tätig.

Er erwarte eine Haltungsänderung Moskaus nach der Amtseinführung des kurz zuvor gewählten russischen Präsidenten Wladimir Putin. Das sagte im Gespräch mit Ferrero-Waldner der georgische Staatschef. Sein Name: Eduard Schewardnadse. Er deutete auch an, die Frage eines Menschenrechts-Ombudsmanns zu lösen, die Ferrero-Waldner unter Hinweis auf wiederholte Kritik an der Menschenrechtslage in Georgien angeschnitten hatte.

2003 gestürzt

Dreieinhalb Jahre später, im November 2003, musste Schewardnadse unter dem Druck der „Rosenrevolution“ abtreten. Die Opposition unter Michail Saakaschwili hatte ihm Wahlfälschung und wuchernde Korruption vorgeworfen und eine Massenbewegung ausgelöst. Kurz vor seinem Rücktritt rief Schewardnadse noch den Ausnahmezustand aus, verzichtete dann aber auf den Einsatz der Armee. Ein Jahr nach dem Machtwechsel gab er sich gegenüber der neuen Regierung versöhnlich.

Das heutige Georgien hat einen friedlichen Machtwechsel nach der Wahlniederlage des Saakaschwili-Lagers im Oktober 2014 hinter sich und gilt, abgesehen von den baltischen Staaten, als die am besten funktionierende Demokratie aller ehemaligen Sowjetrepubliken. Die mit Unterstützung Moskaus abgefallenen georgischen Regionen Abchasien und  Südossetien können sich nur dank russischer Militärpräsenz und Wirtschaftshilfe halten. Die von Schewardnadse seinerzeit erhoffte Haltungsänderung Russlands ist im Fall der Ukraine tatsächlich eingetreten: Dort verfolgt Moskau genau die gegenteilige Politik wie in Tschetschenien.

In der Person Schewardnadses spiegeln sich auf besonders eindringliche Weise Epochen und Entwicklungen wider, die das 20. Jahrhundert geprägt haben und bis heute nachwirken. 1928 im georgischen Mamati als Sohn eines Lehrers geboren, erlebte der junge Eduard den Terror des gebürtigen Georgiers Stalin. Der Vater wurde verhaftet, kam jedoch mithilfe eines früheren Schülers frei, der beim Geheimdienst arbeitete.

Karriere fing unter Stalin an

Noch unter Stalin begann Schewardnadses Aufstieg im Sowjetsystem, zunächst als Funktionär der Jugendorganisation Komsomol. Ab 1972 war er Parteichef in Georgien, bis ihn 1985 der neue, reformorientiere Sowjetführer Michail Gorbatschow zum Außenminister machte. In dieser Funktion setzte er die von Gorbatschow vollzogene außenpolitische Wende um und unterstützte die Wiedervereinigung Deutschlands, die er in den Zwei-plus-vier-Verhandlungen mit vorbereitete. Mit seinem damaligen westdeutschen Kollegen Hans-Dietrich Genscher pflegte Schewardnadse bis zuletzt eine enge politische Freundschaft.

Das Ende der Sowjetunion im Dezember 1991 beendete auch Schewardnadses Rolle als Außenminister. Georgien war eine der ersten Sowjetrepubliken, die sich für unabhängig erklärte. Die nationalistische, minderheitenfeindliche Politik seines ersten Präsidenten Swiad Gamsachurdia führte zu einem Bürgerkrieg im ganzen Land und zur Abspaltung Abchasiens. Putschisten der Nationalgarde setzten Gamsachurdia im Jänner 1992 ab und übertrugen Schewardnadse die Staatsführung.

Zum Präsidenten gewählt wurde er im November 1995 mit 70 Prozent der Stimmen, 2000 wurde er im Amt bestätigt. Die Parlamentswahlen im November 2003, bei denen sich Schewardnadses Block trotz massiver Fälschungsvorwürfe zum Sieger erklärte, führten dann zur „Rosenrevolution".

Drei Attentatsversuche überlebte Schewardnadse. Den ersten verübten russische Militärs im Oktober 1992 in Abchasien. Ob Schewardnadses Eintreten für eine Nato-Mitgliedschaft Georgiens dabei eine Rolle spielte, ist nicht bekannt. (Josef Kirchengast, derStandard.at, 7.7.2014)