Klagenfurt - Offen wie schon lange nicht mehr scheint nach den drei Wettbewerbstagen im Klagenfurter ORF-Theater das Rennen um den 38. Ingeborg-Bachmann-Preis. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren hat sich kein klarer Favorit herauskristallisiert. Gleich mehrere Autorinnen und Autoren können sich gute Chancen ausrechnen, unter ihnen auch Gertraud Klemm und Roman Marchel aus Österreich.

Zum Kreis der Preisanwärter gehört diesmal auch ein Schweizer, nämlich Michael Fehr. Aus Deutschland dürfen Katharina Gericke und Senthuran Varatharajah mit einer Auszeichnung spekulieren. Chancen können sich auch Anne-Kathrin Heier und Tex Rubinowitz ausrechnen. Die restlichen österreichischen Teilnehmer, Olga Flor, Birgit Pölzl und Georg Petz werden wohl eher leer ausgehen.

Stiller Text

Roman Marchel machte das Handikap, als Allererster lesen zu müssen, mit seinem stillen Text über Pflegebedürftigkeit und das Sterben wett. Bis auf Hubert Winkels, der sich zu sehr an Michael Hanekes "Amour" erinnert fühlte, waren die Juroren durchwegs sehr angetan bis begeistert. Gertraud Klemm mit ihrer Geschichte über eine junge Mutter, der das Mutterdasein zu viel wird, löste da deutlich kontroversere Debatten aus, wobei sich vor allem die Jurorinnen für die Autorin begeistern konnten.

Düster und fragmentarisch kommt Michael Fehrs "Simeliberg" daher. Fehr zeichnet in stark schweizerisch gefärbtem Deutsch ein beklemmendes Bild eines Schweizer Dorfes, das Juryvorsitzendem Burkhard Spinnen nicht gefallen mochte, ansonsten aber viel Lob einheimste. Fast einhellig positiv bewertet wurde auch Katharina Gerickes "Down, down, down", einer Liebesgeschichte mit Opern-Bezügen, die von der gelernten Schauspielerin auch entsprechend theatralisch vorgelesen wurde.

Liebesgeschichten und Zwänge

Tex Rubinowitz trug eine Rückschau auf eine studentische Liebesgeschichte vor. "Wir waren niemals hier" hatte viele Pointen, die das Publikum erheiterten und auch von den Juroren wohlwollend aufgenommen wurden. Heftig debattiert wurde dagegen Anne-Kathrin Heiers "Ichthys", ein atemloser Text über Süchte und Zwänge. Ein mutiger Text, mit dem die Autorin auch viel Risiko genommen hat, ob es für einen Preis reicht, wird man sehen.

Durchaus chancenreich ist auch Senthuran Varatharajah. Sein Romanauszug "Vor der Zunahme der Zeichen" ist als Facebook-Dialog zwischen zwei ehemaligen Flüchtlingen gestaltet, die über ihre Kindheit, Herkunft, Familie ebenso diskutieren wie über Religion und Sexualität. Dem Text merkt man an, dass der aus Sri Lanka stammende Autor Philosophie studiert hat, ob die Integration der Internet-Dialogform in die Literatur so gelungen ist, dass es sich auch in einem Preis niederschlägt, ist spätestens Sonntagmittag klar. (APA, 6.7.2014)