"Wichtig ist, dass wir Spaß haben und voneinander lernen”, sagt die seit zehn Jahren in Wien ansässige María Andrea aus Kolumbien. Ein hervorragendes Beispiel dafür, dass es rund um die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien nicht nur um Fußball, sondern gleichzeitig mindestens um so viel Freude und Unterhaltung geht, erlebte man am Freitag Abend im Wiener Prater hautnah. Brasilianische und kolumbianische Fangruppen sind zusammengekommen, und haben ein starkes Zeichen des friedlichen Zusammenlebens und der Freundschaft zwischen Nationen und Kulturen geliefert.

Fiesta Latina

Hunderte Anhänger Brasiliens und Kolumbiens versammelten sich, um das Viertelfinal-Spiel zwischen den zwei Fußballriesen anzuschauen. Wer zwei Stunden vor dem Spielanpfiff gekommen ist, musste schon nach den letzten freien Sitzplätzen suchen.

Das Ambiente hätte nicht "lateinischer“ sein können. Sambatänzerinnen, Bossa-Nova-Musik, Pfeifen, Lautsprecher, Carracas und die Ratschen garantierten die mit hoher Wahrscheinlichkeit größte, leidenschaftlichste und temperamentvollste Open-Air-Fiesta der Stadt am Freitagabend. Die kulinarischen Köstlichkeiten der vielfältigen südamerikanischen Küche servierte das Kulturinstitut Abrasa Casa do Brasil. Zudem wurden die Fans noch mit Delikatessen aus Ghana, Kolumbien und Venezuela verköstigt. Traditionelle Gerichte wie Feijão tropeiro, Huhn- und Rindfleisch, sowie Guaraná, das "brasilianische Almdudler”, standen auf dem Menü. "Brasilien ist mehr als Samba und Fußball, wir zeigen mit diesem Event mehr von unserer Kultur und Diversität”, sagt Queila, die Gründerin des Institutes.

csekö & puktalovic

Zahlreiche Anwesende hatten explizit für den Tag Urlaub genommen und ihn ganz im Zeichen des Spiels verbracht. "Wir tragen unser Make-Up auf, ziehen das T-Shirt an, tanzen und trinken“, erklärt Edgar, dessen Herz für Kolumbien schlug. Zwar dominierten unter den "Urlaubern“ die gelb-blau-roten Farben der kolumbianischen Trikolore, ein Fahnenmeer mit dem bekannten Spruch "Ordem e Progresso“ (Ordnung und Fortschritt) war aber auch nicht zu übersehen.

Die lateinamerikanische Seele

Vor dem Spiel und währenddessen beschäftigte sich die Mehrheit der Anwesenden mit der meist formulierten Frage der Nacht: "Neymar oder James?”, anders ausgedrückt "Brasilien oder Kolumbien”? Die Kernfrage teilte zwar die mitfiebernden Fans während des Spiels auf zwei Gruppen auf, die kulturelle Nähe zwischen den Lagern war jedoch eindeutig zu spüren. Viele von ihnen betrachten Lateinamerika als eine kulturelle und soziale einheitliche Region. Die gegenseitige Anerkennung und Unterstützung darf dementsprechend nicht fehlen. "Egal wer weiterkommt, ich bin für die Lateinamerikaner“, konstatiert Edgar, bevor er seine Kolumbien-Fahne wehen lässt. Lebensfreude, Spaß und Freundschaft einigen diese Fangruppen, Fußball bringt sie zusammen. Dass das Ergebnis des Spieles tatsächlich nur nebensächlich ist, unterstrich die, bis tief in die Nacht gehende, gemeinsame Feier der Kolumbianer, Brasilianer und der Anwesenden aus anderen Ländern.  (Balázs Csekő, Siniša Puktalović, daStandard.at, 5.6.2014)