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1958 besorgte Garrincha Brasilien zusammen mit Pelé den WM-Titel. 1962 musste er in der Entscheidung ohne Pelé auskommen.

Foto: AP/Bippa

Rio de Janeiro - Garrincha. In Brasilien raunen sie den Namen ihres Idols. Garrincha. Es klingt nach Sehnsucht, nach Spektakel. Rechts hatte er ein X-, links ein O-Bein, das zudem sechs Zentimeter kürzer war als das rechte. Schon mit zehn Jahren schüttete er Cognac in sich hinein, eine Schule hat er nie besucht, doch auf dem Fußballplatz schien Manoel Francisco dos Santos, genannt Garrincha, den "Himmel zu berühren".

Pelé wird in Brasilien bewundert, Garrincha aber vergöttert. Weil er wie so viele seiner Landsleute Schwierigkeiten hatte, geräuschlos durch das Leben zu gleiten. Und weil er ihnen so viele Momente des Glücks und der Schönheit schenkte. In Brasília wurde das Stadion nach Garrincha benannt, den Namen von Pelé trägt keine WM-Arena.

Erinnerungen an den Paradiesvogel

"Garrincha war ein unglaublicher Spieler. Er konnte Dinge mit dem Ball machen wie kein anderer", sagt Pelé über seinen alten Kollegen, mit dem er 1958 den ersten WM-Titel holte: "Ohne Garrincha hätte ich niemals dreimal Weltmeister werden können." Die Erinnerung an diesen Paradiesvogel verblasst nicht, weil er für das Schöne am Spiel stand. Die Spieler von heute erinnern die Brasilianer eher an Rennpferde - mit Ausnahme von Neymar.

Die, die das Glück hatten, Garrincha spielen zu sehen, sagen, dass es nie wieder einen Spieler wie ihn geben wird - der beste Rechtsaußen der Geschichte. Dieser verkrüppelte kleine Mann aus dem Dörfchen Pau Grande schlug Haken, die man vorher noch nie gesehen hatte. Er machte die Gegenspieler lächerlich. Für Botafogo erzielte Garrincha 249 Tore in 579 Spielen.

"Manchmal wartete er auf den Verteidiger, den er gerade ausgetrickst hatte, um ihn dann erneut auszuspielen", sagt sein Biograf Ruy Castro. "Wenn er auf dem Platz stand, schien er den Himmel zu berühren", sagt Elza Soares, die berühmte Sängerin und Garrinchas letzte Frau. 1962 führte Garrincha Brasilien in Chile zum zweiten Titel - der verletzte Pelé applaudierte auf der Tribüne. Danach ging es bergab - mehr Alkohol, mehr Frauen, mehr Schmerzen im Knie. Das Haus, in dem er früher lebte, ist heute eine Bar und heißt Garrinchinha.

Schüchtern, ungeschickt

Mit dem Leben war Garrincha, der seinen Künstlernamen dem gleichnamigen Urwaldvogel wegen des wackelnden Gangs verdankte, überfordert. Seit dem zehnten Lebensjahr soll er alkoholsüchtig gewesen sein, zudem Analphabet, mit Geld konnte er nicht umgehen. Garrincha zeugte mindestens 14 Kinder, hatte unzählige Affären. Im Jänner 1983 starb er, keine 50 Jahre alt. Garrincha sei ein "schüchterner, ungeschickter" Mann gewesen, sagte seine Enkelin Alexsandra dos Santos der Agentur AFP.

Abertausende säumten die Straßen Rios, als sein Leichnam vom Maracanã nach Pau Grande überführt wurde. "Die Menschen liebten ihn so sehr, weil er eigentlich ein Verlierertyp war", sagt Castro. Auf seinem Grabstein steht: "Hier ruht in Frieden der, der die Freude des Volkes war - Mané Garrincha". (sid, red, DER STANDARD, 05./06.07.2014)