Bild nicht mehr verfügbar.

Post-Chef Georg Pölzl denkt über eine Paketzustellung am Wochenende nach.

Foto: APA/Hans Klaus Techt

STANDARD: Zuletzt gab es Kritik seitens Arbeiterkammer und Gewerkschaft, dass die im Zuge der Liberalisierung des Postmarkts eingeführten Kollektivverträge zu "Akkordlohn durch die Hintertür“ geführt hätten. 4000 der 8300 Paket- und Briefzusteller bekommen 1390 Euro brutto im Monat. Wie geht es Ihnen damit, Sie kommen ja auf ein Jahreseinkommen von 1,3 Millionen Euro?

Pölzl: Ich habe es unlängst unseren Gewerkschaftern gesagt: Das ist kein Post-Problem, das ist ein gesellschaftliches Problem. Wenn wir im Markt gewisse Gehälter haben, dann ist ein Unternehmen wie die Österreichische Post natürlich angehalten, marktgerecht zu bezahlen. Die Österreichische Post zahlt über dem Markt, vor allem in den unteren Bandbreiten. Dass das geringe Einkommen sind, darüber kann das aber nicht hinweghelfen.

STANDARD: Angesichts von E-Mail und Co. wird sich am rückläufigen Briefgeschäft, das zuletzt 60 Prozent des Umsatzes ausmachte, nichts ändern. Wie steuern Sie gegen?

Pölzl: Was hilft, sind Zusatzumsätze durch neue Themen. Wir haben einige Unternehmen zugekauft und neue Geschäftsfelder auch um das Kernprodukt Brief herum entwickelt. Hoffnungsträger ist auch der weltweite Wachstumstreiber E-Commerce. Für Österreich hilft das nur bedingt, auch wenn wir uns über Wachstum in diesem heiß umkämpften Bereich freuen. 1,5 Milliarden Euro im Briefbereich stehen 250 Millionen Euro im Paketbereich gegenüber. Wächst man im Paket um zehn Prozent, sind das 25 Millionen Euro. Verliert man fünf Prozent im Brief, sind das 75 Millionen.

STANDARD: Bevor Sie im Oktober 2009 zur Post kamen, waren Sie bei der Deutschen Telekom als eine Art Sparmeister am Werk. Ist das auch bei der Post Ihre Aufgabe?

Pölzl: Nein. Nicht nur. Wir haben vor viereinhalb Jahren unsere Strategie in vier Handlungsfelder eingeteilt: Verteidigung des Kerngeschäfts, Wachstum in ausgewählten Segmenten, Innovation und Kundennutzen sowie operative Exzellenz. Dazu zählen etwa Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen. Wenn Sie so wollen, sind 25 Prozent meines Jobs kosten- und einsparungsorientiert, 75 Prozent markt-, kunden- und wachstumsorientiert. Das klingt vielleicht überraschend. Aber man genießt halt nur mit eher "destruktiven" Dingen höhere Medienaufmerksamkeit.

STANDARD: Im Zuge der Restrukturierung wurden zahlreiche Postämter geschlossen und wurde verstärkt auf Post-Partner gesetzt. Wie man hört, geben 50 bis 80 Post-Partner pro Jahr auf.

Pölzl: Wir haben neben 500 eigenen Filialen mittlerweile 1350 Post-Partner. Wenn 50 von ihnen aufgeben, ist das ein relativ geringer Prozentsatz von weniger als fünf Prozent. Das geschieht aber nicht immer wegen der Post-Partnerschaft, sondern weil sie ihr Geschäft generell schließen oder in Pension gehen. In Deutschland beträgt die Fluktuationsrate hier zehn Prozent. Davon sind wir weit entfernt.

STANDARD: Sie setzen verstärkt auch auf Selbstbedienung. Wie nimmt es der Kunde tatsächlich auf, dass er bei der Post selbst was tun muss? Für viele ist das eine Herausforderung.

Pölzl: Das ist so wie beim Einchecken am Flughafen. Da gibt es die einen, die lieber zum Schalter gehen, und die anderen, die lieber alles selber machen – online oder am Automaten. Das ist ein Trend, den wir auch ganz klar für die Postgeschäftsstellen sehen. Wir wissen, dass die 24 Stunden am Tag geöffneten Geschäftsstellen bei den Kunden sehr gut ankommen, weil sie auf keine Öffnungszeiten Rücksicht nehmen müssen. Wir tun das nicht aus Effizienzgründen, sondern weil die Kunden das wollen und wir Postdienstleistungen 24 Stunden an sieben Tagen der Woche anbieten können. Bis Jahresende werden wir beispielsweise 8000 Postempfangsboxen installiert haben und damit an die 170.000 Haushalte erreichen.

STANDARD: Nicht alle sind zufrieden. Gerade auf dem Land klagen besonders ältere Menschen, dass es immer schwieriger wird, einen Brief aufzugeben.

Pölzl: Ich möchte gar nicht verhehlen, dass es bei täglich rund 25 Millionen Sendungen auch Beschwerden gibt. Ein Blick auf die statistischen Werte zeigt aber eine hohe Kundenzufriedenheit, besonders mit den Briefzustellern. 86 Prozent der Kunden sind mit ihnen zufrieden. Die Briefzusteller sind die Helden unseres Unternehmens.

STANDARD: Sie haben ja in diesem Bereich auch keine Konkurrenz, mit der man Sie vergleichen kann.

Pölzl: Sind Sie zufrieden mit dem Zustand unserer Straßen? Ja oder nein? Ich brauche, um Zufriedenheit festzustellen, nicht immer einen Vergleich. Es liegt am absoluten Niveau der Serviceleistung.

STANDARD: In England gibt es Versuche, wegen des zunehmenden Internetversandhandels auch sonntags Postämter offen zu halten. Gibt es ähnliche Überlegungen für Österreich?

Pölzl: Ja. Vor allem über Lösungen, die mit Selbstbedienungsstationen realisiert werden können. Wir testen auch neue Zustellformen, etwa in der Lebensmittelzustellung am selben Tag. Oder zumindest am nächsten Tag. Mit der Handelsgruppe Pfeiffer und der FH Steyr starten wir in Oberösterreich dazu ein Pilotprojekt. Ich könnte mir vorstellen, dass wir früher oder später auch über Paketzustellung am Samstag oder Sonntag nachdenken. Wo der Bedarf da ist und wo auch die Bereitschaft da ist, so eine Dienstleistung wirtschaftlich darzustellen, dort wird sich das auch irgendwann durchsetzen.

STANDARD: Der Rechnungshof hat vor kurzem die hohe Zahl an Frühpensionierungen bei der Post kritisiert. Was sagen Sie dazu?

Pölzl: Das stimmt so nicht. Bei der Post gibt es Frühpensionierungen nur aus gesundheitlichen Gründen. Es ist eine amtsärztliche Entscheidung, ob es etwa angesichts hoher Krankenstände zu einer Frühpensionierung kommt oder nicht.

STANDARD: Wie viele sind das im Jahr?

Pölzl: Die Größenordnung schwankt zwischen 100 und 200 im Jahr.

STANDARD: Da könnte man ja den Schluss ziehen, dass Arbeiten bei der Post krank macht.

Pölzl: Sie dürfen nicht vergessen, dass wir vor allem in der Briefzustellung und in Filialen extreme Bedingungen haben. Wenn Sie hier arbeiten, haben Sie hohe körperliche Belastung, kriegen Rückenprobleme und andere spezifische Krankheitsbilder und sind für den Job nicht mehr geeignet. Und für Briefzusteller gibt es keine alternativen Bürojobs.

STANDARD: Blick ins Ausland. Ihre letzte große Akquisition war in der Türkei, wo Sie 25 Prozent am Paketdienstleister Aras Kargo erworben haben. Die politische Entwicklung des Landes wird stark diskutiert.

Pölzl: Ich gehe nicht davon aus, dass es zu einer Eskalation kommt, die unsere nachhaltigen Ziele dort gefährdet. Sagen wir so: Wir haben dort ein Land mit großen Herausforderungen, aber auch mit großen Möglichkeiten.

STANDARD: Aus den Beneluxländern haben Sie sich zurückgezogen, bei der deutschen Trans-o-flex-Tochter läuft es durchwachsen.

Pölzl: Trans-o-flex hat schon bessere Zeiten gesehen, sie wird aber auch wieder bessere sehen. Wir sind hier in einer schwierigen Umstellungsphase.

STANDARD: Was sind die Gründe?

Pölzl: Der Markt ist nicht ganz so einfach, es gilt, unsere Marktposition besser herauszuarbeiten. Wir fokussieren auf die Pharmabranche. Gerade jetzt läuft eine ganz spannende Entwicklung. Deutschland steht vor der GDP, Good Distribution Practice, das heißt, dass alle Medikamente temperaturkontrolliert transportiert werden müssen. Diese Regel gilt seit 1. Jänner 2014, und wir sind der erste und auf Sicht auch der einzige Pharma-Spediteur, der das realisieren wird in Deutschland.

STANDARD: Wie verläuft Ihr Engagement in Südosteuropa?

Pölzl: Da haben wir 20 Paket- und Brieftöchter. Im Paketbereich ist das Engagement in Summe stabil und trägt zu unserem Geschäft bei. Im Briefbereich gibt bei den Tochtergesellschaften Licht und Schatten.

STANDARD: Auch mit so großen Schatten, dass Sie Wertberichtigungen vollziehen müssten, wie es bei Ihrer ÖIAG-Schwester Telekom Austria jüngst der Fall war?

Pölzl: Das ist ausgeschlossen, solche Firmenwerte haben wir dort nicht.

STANDARD: Im Gespräch ist immer wieder eine weitere Privatisierung der Post, an der der Staat noch knapp 53 Prozent hält. Hielten Sie das mittlerweile für wünschenswert?

Pölzl: Das ist Eigentümersache. Ich bin überzeugt davon, dass die Österreichische Post sehr vom Börsengang profitiert hat, der Erfolg des Unternehmens hätte sich in reinem Staatseigentum so nicht eingestellt, davon bin ich überzeugt. Aus meiner Sicht hat auch die ÖIAG bei der Post eine sehr positive Rolle gespielt, worüber es in den letzten Tagen ja auch einige Diskussionen gab. Die ÖIAG wird ihrer Pufferfunktion zwischen politischem Einfluss und Unternehmen sehr gut gerecht.

STANDARD: Der Finanzminister ist emsig auf der Suche nach Geld.

Pölzl: Da muss der Finanzminister entscheiden, woher er das Geld kriegt. Ein zusätzliches Aktienpaket würde an der Börse bestimmt gut ankommen. Die Voraussetzungen für eine weitere Privatisierung wären gut, die Post ist gut vorbereitet. Doch das ist eine Entscheidung des Eigentümers.

STANDARD: Wie zuversichtlich sind Sie heuer hinsichtlich Ihrer Dividende?

Pölzl: Die Guidance im Kapitalmarkt ist stabile Umsatzentwicklung, ein Ebitda zwischen zehn und zwölf Prozent, die uns die Auszahlung einer Dividende auf dem Niveau des Vorjahres ermöglichen sollte. Alles, was davon abweicht, wäre eine Gewinnwarnung, die nicht ansteht.

STANDARD: Die ÖIAG hat mit Siegfried Wolf einen neuen Präsidenten. Wie sehen Sie seine Person?

Pölzl: Ich sehe ihn sehr positiv, ich erwarte mir eine sehr professionelle Führung des Aufsichtsrats der ÖIAG.

STANDARD: Der alte Konzernsitz in der Postgasse soll jetzt verkauft werden. Was für eine Summe erhoffen Sie sich dafür?

Pölzl: Das maximal im Markt Erzielbare. (lacht) Es ist eine attraktive Immobilie im Herzen von Wien. Unsere Vorstellungen liegen im mittleren bis hohen zweistelligen Millionenbereich. (Karin Tzschentke, DER STANDARD, Langfassung, 5.7.2014)