Für Frank Stronach kommt der Leitfaden etwas spät, er hat sich bereits wieder nach Kanada zurückgezogen.

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Man muss das Rad nicht neu erfinden, um erfolgreich zu sein. Ein abgedroschener Spruch, den Frank Stronach vermutlich sofort unterschreiben würde. Schließlich - und auch das ist gemeinhin bekannt - kann man von den Besten lernen wie auch die Fehler anderer beherzigen, um das eigene Tun zu optimieren. Und trotzdem, so scheint es, machen alle Neoparteien immer wieder die gleichen Fehler. Dabei fänden sich gute wie auch schlechte Praxisbeispiele geballt an einem Ort, im österreichischen Mekka der Parteigründer und Abspalter: Tirol. Ein kurzer Leitfaden.

1. Personal, das sich mag

Kürzlich wurde bekannt, was sich nach Aussagen des Vorwärts-Tirol-Klubobmanns Hans Lindenberger bereits "seit Wochen und Monaten" angebahnt hatte: Die Landtagsabgeordnete Andrea Krumschnabel wurde aus der Partei ausgeschlossen. Grund dafür sei "mangelnde Bereitschaft zur Teamarbeit". Das Problem für die ganze Truppe: Vorwärts wurde erst vergangenes Jahr vor der Landtagswahl gegründet – und ist seitdem in Grabenkämpfe verstrickt.

Mit heftigen Personalproblemen hatte ebenso das Team Stronach zu kämpfen, ganze Landesorganisationen wurden ausgeschlossen, einzelne Funktionäre wieder aufgenommen, vor allem in den Ländern regierte Chaos das Team. Die Neos machten kürzlich Schlagzeilen mit der Erkenntnis, dass Niko Alm vielleicht doch nicht der geeignetste Religionssprecher sei. Strolz musste übernehmen.

Reinhold Gärtner, Politologe an der Universität Innsbruck: "Wenn eine neue Gruppierung bestehen will, muss sie von Anfang an Leute vereinen, für die nicht Eigeninteressen, sondern eine gemeinsame Idee im Vordergrund steht. Ein gemeinsamer Feind reicht definitiv nicht."

2. Ein Gesicht, das zieht

Ein anderes Tiroler Unikum ist die Liste Fritz. Eine engagierte Partei, die vom ehemaligen ÖVP-Politiker Fritz Dinkhauser gegründet wurde. Im Jahr 2008 trat seine Liste erstmals bei der Tiroler Landtagswahl an - und erreichte sofort mehr als 18 Prozent der Stimmen und damit sieben Mandate. Heute stellt die Partei noch zwei Abgeordnete. Das Problem: Fritz ist inzwischen weg. Dinkhauser musste sich vor der Wahl 2013 gesundheitsbedingt aus der Politik zurückziehen.

Gärtner: "Eine Partei braucht ein Alphatier, das ihren Anliegen ein Gesicht gibt. Das Problem ist, dass dominante Führungsfiguren häufig nicht zulassen, dass neben ihnen jemand nachwächst. Geht das Alphatier, ist die Partei am Ende."

3. Ein Programm, das sitzt

Wasserprivatisierung ja oder nein, doch nicht; zuerst für die Todesstrafe eintreten, es dann aber als Einzelmeinung abtun; zu gewissen Themen schlicht "noch keinen Beschluss" haben - so etwas verzeiht der Wähler vielleicht kurz nach der Gründung, nicht mehr nach einem Jahr.

Gärtner: "Junge Parteien müssen sich schleunigst um ein umfassendes Programm kümmern und zu allen gängigen Themen eine einheitliche Linie finden. Worthülsen wie Wahrheit, Fairness und Transparenz reichen da definitiv nicht."

4. Geld, das erhält

"Jedem Milliardär seine eigene Partei", witzelten die jungen Sozialisten, als klar wurde, dass Österreich mit dem Team Stronach und den Neos zwei neue Spieler auf dem politischen Feld hat. Tatsächlich zählen Frank Stronach und Neos-Förderer Hans Peter Haselsteiner zu den Top 25 der reichsten Österreicher - glaubt man einer Reihung des Magazins "Format". Wobei das Auftreten der beiden edlen Spender doch unterschiedlicher kaum sein könnte: Stronach, der allmächtige Parteipatriarch, und Haselsteiner, der zurückhaltende Gönner.

Gärtner: "Ohne Geld geht es natürlich nicht, nur mit Geld allerdings auch nicht."

5. Die Regionalität, die es braucht

Das BZÖ mit seinem Fokus auf Kärnten: Geschichte. Das Liberale Forum, das sich auf den Großraum Wien konzentriert hatte: von den Neos geschluckt. Was das zeigt? Will eine neue Partei langfristig erfolgreich sein, muss sie sich regional verankern. Dabei reicht es nicht, sich auf die neun Bundesländer zu konzentrieren. Soll es klappen, muss sich eine Partei über kurz oder lang hinein bis in einzelne Bezirke etablieren.

Gärtner: "Auch hier kann Tirol als Beispiel dienen. Vorwärts war bei der letzten Landtagswahl etwa extrem stark im Bezirk Reutte, machte dort über 33 Prozent. Landesweit schafften sie dennoch nicht einmal zehn Prozent. Ein Bezirk oder ein Bundesland reicht eben nicht."

6. Gespür, das nicht jeder hat

Na, und dann gibt es da natürlich noch einen nicht ganz unwesentlichen Faktor: ein bisserl ein Gespür und ein Verständnis für die heimische Politik. Will eine neue Partei durchstarten, muss sie schließlich etwas bieten, das die Wähler bei bereits bestehenden Gruppierungen vermissen. Eine ÖVP-Abspaltung, die sich letztlich kaum vom Original unterscheidet, stiftet zwar vielleicht kurz Unruhe, bietet dem Wähler aber bestimmt keine langfristige Alternative, weiß der Tiroler.

Gärtner: "Dieses politische Verständnis macht die Neos gerade so erfolgreich. Sie haben es geschafft, sich als liberale Partei zu etablieren, etwas zu sein, das es vorher so nicht gab. Mit dieser Marke konnten sie unzufriedene ÖVP-Wähler gewinnen wie auch einige grüne Themenfelder besetzen. Was hingegen etwa ein Stronach zu bieten hat, wird von anderen bereits besser abgedeckt." (Katharina Mittelstaedt, derStandard.at, 7.7.2014)