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Irgendwo müssen sie doch sein, die Fans von Nicolas Sarkozy ...

Foto: REUTERS/Benoit Tessier

Millionen Franzosen hatten am Mittwochabend ein Déjà-vu-Erlebnis. Sie sahen einen Mann, der sich abgeklärt gab, aber innerlich höchst angespannt wirkte. Seine Stimme  leise und samtweich - aber oft schwang ein drohender, kalter Unterton mit, als läge da ein verletztes Raubtier auf der Lauer.

Aber nein, es war nur Nicolas Sarkozy. Nach 15-stündigem Polizeigewahrsam wegen Bestechungsverdachts eilte Frankreichs Ex-Präsident vor die TV-Kamera, um sich bei der Nation über die "grotesken" Vorwürfe zu beschweren. Die Franzosen bekamen ihn erstmals seit seiner Wahlniederlage von 2012 gegen François Hollande wieder zu Gesicht. Und sie stellten fest: Der 59-jährige Hansdampf in allen Affären ist noch immer der Gleiche - rhetorisch brillant, aber in der Sache voller "Lügen, Irrtümer und Ungenauigkeiten", wie "Le Nouvel Observateur" findet.

Angeblich geläutert

Im kleinen Kreis hatte Sarkozy unlängst erklärt, er sei geläutert und stehe heute über den Niederungen der Tagespolitik. Staatsmännisch gab er der kriselnden Nation den Ratschlag, man müsse "alles ändern". Nur er selbst hat sich nicht geändert. Und darin liegt die Fehlkalkulation des Gaullisten: Diesen altbekannten Sarkozy, diesen Verdrehungs- und Verstellungskünstler, wollen die Franzosen nicht mehr.

Eine Umfrage nach dem TV-Auftritt ergab am Donnerstag, dass nur 33 Prozent der Franzosen sein Comeback im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen von 2017 wünschen; 65 Prozent sind dagegen.

Das ist eine kalte Dusche für Sarkozy, der wegen der neuen Justizaffäre seine Pläne kurzfristig revidieren muss. Im Dezember wählt seine "Union für eine Volksbewegung" (UMP) einen neuen Parteichef, und dieses Mandat gilt als Sprungbrett ins Élysée. Wegen seiner Affären in die Defensive geraten, muss Sarkozy seine Rückkehr vorziehen. Anfang September will er entscheiden, ob er für den UMP-Chefposten kandidieren wird. In Paris gilt als ausgemacht: Er wird.

Früherer Wirbelwind Sarkozy ...

In der Partei zittert die Interimstroika aus Alain Juppé, François Fillon und Jean-Pierre Raffarin schon jetzt. Die Rückkehr des Wirbelwindes Sarkozy droht ihren vorsichtigen Einigungs- und Konsolidierungskurs bereits wieder über den Haufen zu werfen. Dabei hätten Frankreichs Konservative gute Chancen, 2017 den Élysée-Palast zu erobern: Die Wirtschaft lahmt, und Staatschef François Hollande erweist sich dagegen als ohnmächtig.

Juppé oder Fillon würden den unpopulären Hollande laut allen Umfragen klar schlagen. Anders Sarkozy: Er hat schon einmal gegen den Sozialisten verloren; und er hat wirtschaftspolitisch genauso versagt wie Hollande: Unter beiden stiegen sowohl die Arbeitslosigkeit wie auch die Staatsschuld auf ständig neue Rekordwerte.

... nicht mehr mehrheitsfähig

Auch wenn der gut vernetzte Ex-Präsident an der UMP-Basis noch viele Anhänger hat, scheint er bei der Gesamtheit der Franzosen nicht mehrheitsfähig. Hält er an seinem Comeback fest, droht er nur sein Partei zu destabilisieren und der Front-National-Chefin Marine Le Pen Auftrieb zu verleihen, die ihren Slogan "tous pourris" (alle korrupt) aktivieren könnte; die Linke hätte daher keinen Grund zur Schadenfreude.

Gewiss, die Präsidentschaftswahlen von 2017 sind noch weit. Doch einmal mehr dreht sich in Paris alles um Sarkozy. Und einigen Franzosen wird dabei von neuem schwindlig. (Stefan Brändle aus Paris, derStandard.at, 3.7.2014)