Bringt die ersten Bosnisch/Serbisch/Kroatisch-Schüler auf Maturaniveau: Lehrerin Woplatek.

Was isst man in Dalmatien, was wird in der Vojvodina angepflanzt, was sieht man, wenn man in Mostar spazieren geht? Fragen, die Evelyn Woplatek nebenbei beantwortet, wenn sie jede Woche in einer Schule im fünften Wiener Bezirk Bosnisch, Kroatisch und Serbisch (BKS) unterrichtet: Neben Grammatik steht auch Landeskunde auf dem Programm. Während Türkisch als Maturafach einstweilen noch Zukunftsmusik ist, gibt es BKS als zweite lebende Fremdsprache hier schon seit drei Jahren.

Beliebtes Fach

Das Fach ist beliebt: Mehr als ein Viertel aller Schüler jedes Jahrgangs entscheiden sich gegen Französisch und Italienisch und für BKS. Zwar kommen die meisten Schüler aus Familien mit exjugoslawischem Hintergrund, rund zehn Prozent der Schüler haben aber gar keinen familiären Bezug zur Sprache.

Auch Lehrerin Woplatek stammt selbst aus keiner Familie, in der Bosnisch oder Serbisch gesprochen wird. Aus ihrer Liebe zu Russisch sei irgendwann eine Zuneigung zu slawischen Sprachen geworden, also belegte sie Lehramtsstudien in Russisch und BKS. Dass sie selbst aus keinem exjugoslawischen Land kommt, sei im Unterrichtsalltag manchmal auch ein Vorteil, erzählt die Wienerin: etwa dann, wenn zwischen den Schülern unverarbeitete Konflikte des Balkankriegs hervorbrechen – sie könne dann zu den Schülern sprechen, ohne ihrer Herkunft wegen als parteilich zu gelten.

Keine Schulbücher

Die allermeisten ihrer Schüler fühlten sich in der deutschen Sprache am wohlsten, BKS sei für manche nur "die Sprache der Oma", die sie ein bis zwei Mal im Jahr anwenden, wenn sie im Herkunftsland der Eltern ihren Urlaub verbringen. Dementsprechend schlecht seien ihre schriftlichen Sprachkenntnisse, sagt Woplatek. Es sitzt aber auch ein Jugendlicher, der in Serbien zwölf Jahre lang die Schule besucht hat, in derselben Gruppe.

Die Lehrerin muss versuchen, alle Niveaus unter einen Hut zu bringen. Und nicht nur das: Sie muss auch alle Lehrmaterialien selbst zusammenstellen – Schulbücher auf BKS gibt es nicht. Zudem versucht sie, auf die Unterschiede zwischen Bosnisch, Serbisch und Kroatisch einzugehen, und bringt den Schülern im ersten Jahr das kyrillische Alphabet bei.

"Lieber eine g'scheite Sprache"

Die Motive, sich für BKS zu entscheiden, variieren: Manche folgen der besten Freundin, andere dem Rat der eigenen Eltern. Wobei dieser ganz unterschiedlich ausfallen kann: Während manche Eltern es befürworten, dass die Kinder die Sprache der Großeltern erlernen, sagten andere: "Lern lieber eine g'scheite Sprache", erzählt Woplatek: "Dass ihre Sprache nichts wert ist, hören die Kinder leider oft." Der Unterricht sei deshalb auch wichtig für das Selbstwertgefühl der Teenager: "Wir haben ja auch Schularbeiten, Referate, Tests – das gibt ihnen das Gefühl, dass ihre Sprache ernst genommen wird."

Als Sprache mit geringerem Wert wird von vielen auch Türkisch angesehen: Seit Jahren stockt die Entwicklung des Lehramtsstudiums an der Pädagogischen Hochschule Graz – und ohne ausgebildete Lehrer kein Schulfach, ohne Schulfach keine Matura. Dadurch entgeht nicht nur den Schülern ein weiteres Angebot zum Sprachenlernen, auch die Wirtschaft meldet sich zunehmend pro Maturafach zu Wort: Die Türkei ist ein wichtiger Handelspartner, der Bedarf an Fachkräften, die fließend Türkisch sprechen und sich auch schriftlich gut ausdrücken können, ist groß. Nicht zufällig ist die Handelsakademie, an der Woplatek unterrichtet, eine Schule des Berufsförderungsinstituts.

Angst vor Rechts

Doch die Angst, Rechtsparteien könnten versuchen, aus der Schulfach-Debatte politisches Kleingeld zu schlagen, ist groß. Dabei seien die Argumente der FPÖ unsinnig, meint auch die grüne Nationalratsabgeordnete Alev Korun: "Immer heißt es: 'Die sollen zuerst Deutsch lernen.' Das ist absurd: Hätten diese Schüler nicht Deutsch gelernt, wären sie nie in die Oberstufe gekommen."

Korun wird nächste Woche einen Antrag auf Einrichtung von Türkisch als Schulfach und Entwicklung eines Lehramtsstudiums einbringen – um zu verhindern, "dass es wieder auf die lange Bank geschoben wird". Diesem Antrag kam Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) am Donnerstag zuvor: Türkisch als Maturafach werde kommen, erklärte die Ministerin – im Wintersemester 2015/2016 sollen die ersten Studierenden ihre Ausbildung zum Türkischlehrer an der PH Graz beginnen können. (Maria Sterkl, derStandard.at, 3.7.2014)