Wien - Hier die Geradlinigkeit moderner Architektur, dort das tropische Licht und die Natur. Das eine bricht sich am anderen. Ein Bruch, der irgendwie auch die Zeit beschreibe, in der wir leben, sagt Inés Lombardi.
Die zwei Seiten jenseits der Bruchlinie verbildlicht die Künstlerin (geb. 1958) auf verschiedenste Weise. In einer Arbeit hat sie diese etwa wie ein Mosaik aus 54 Bildquadraten zusammengesetzt: aus farbigen, opaken Flächen und aus Fotografien transparenter Flächen. Genauer sind es Aufnahmen von Glasscheiben, in denen sich die Umgebung - Pflanzen und Architektur - spiegelt und auf die das Sonnenlicht Reflexe setzt. Diese Bildtafeln entstanden in Auseinandersetzung mit der Residência Olivio Gomes in São Paulo, einem Beispiel brasilianischer Moderne, erbaut von Rino Levi.
Bereits in Lombardis Personale in der Secession 2011 hatte dieses Gebäude, das sich dem "ordnenden Impuls" (Landschaftsarchitekt Burle Marx) der Natur unterordnet, eine Rolle gespielt. Es geht der Künstlerin aber nicht um konkrete architektonische Beispiele, sondern um die Konzepte der 1950er-Jahre. Sie interessiert sich für die Beziehungen zwischen innen und außen sowie die Hybride, die daraus entstehen; in den oft farbigen Spiegelungen im Glas finden diese eine Enstprechung. Ein Eindruck, den Lombardi simuliert: Fotos architektonischer Details druckt sie auf 54 verschiedenfarbige Kartons.
Auch die Farben von Bildquadraten, Leinwändem und den an Sonia Delaunay erinnernden Farbkreisen hat sie aus dem Haus Gomes abgeleitet: Das brasilianische Denkmalamt hat das intensive Farbdesign des Hauses per Pantone-Farbschema dokumentiert. Lombardi nutzt dieses, um ganze Räume der Galerie Kargl in die Originaltöne zu tauchen. Der Raum wird zum Objekt; die Farbe wird dadurch anders wahrgenommen, als wenn sie lediglich als Hintergrund eingesetzt ist.
So wie sich unter jeder Farbschicht meist eine ältere findet, zeige sich, so Lombardi, in der Gegenwart auch die Vergangenheit. Die nächste Farbschicht, die sich über die alte legt, ist zwar wahrscheinlich, aber ungewiss. So wie die Zukunft. Ein schönes Bild. Eine stimmige Ausstellung. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 3.7.2014)