Sechs Monate vergehen schnell: In weniger als drei Wochen läuft die Zeit ab, die sich der Iran und die internationalen Verhandler gegeben haben, um den Atomstreit zu lösen. Der Termin 20. Juli ist gewiss nicht in Stein gemeißelt, aber falls eine Einigung bis dahin ausbleibt, dürfte eine substanzielle Verlängerung der Gespräche gar nicht so einfach werden. Erstens stellte die Verhandlungsperiode selbst so etwas wie einen Prozess dar, der nur schwer auf längere Zeit eingefroren werden kann. Und zweitens wissen alle Beteiligten, dass eine "fast" erreichte Lösung als Grundlage für ein späteres Abkommen illusorisch ist: Es wird einen Deal geben oder eben keinen.

Was diese Verhandlungen so unglaublich schwierig macht, ist, dass sie zwei völlig unterschiedliche Ebenen berühren: eine technische und eine politische. Der politische Wille kann noch so groß sein, es bleiben die technischen Parameter zu erfüllen, die sich die fünf Uno-Vetomächte plus Deutschland (P5+1) gesetzt haben: Der Iran soll in einen nuklearen Status versetzt werden, in dem er eine sicher kalkulierbare Zeit lang von der Möglichkeit entfernt bleibt, eine Atomwaffe zu bauen.

Man mag darüber diskutieren, ob das machbar und das Risiko eines wenngleich gedeckelten iranischen Atomprogramms tragbar ist, oder auch - von der anderen Seite aus gesehen -, ob es überhaupt gerechtfertigt ist, ein ziviles Atomprogramm und vielleicht sogar Forschungsaktivitäten eines souveränen Staates zu beschneiden. Aber das ist nun einmal die Grundlage der Verhandlungen: Es gibt ein iranisches Atomprogramm, und es gibt die internationale Sorge über dessen Ziele. Beide Seiten haben das akzeptiert, als sie sich an den Tisch setzten.

In den ersten Jahren des Atomstreits haben die USA die Verhandlungen den E-3 Frankreich, Großbritannien und Deutschland überlassen – die nach der großen europäischen Spaltung über den Irakkrieg 2003 zeigen mussten, dass es noch ein Projekt der gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik gibt. Aber auch wenn die Chefverhandlerin Catherine Ashton heißt, werden letztlich die politischen Entscheidungen für oder gegen einen Deal in Washington und in Teheran gefällt werden.

Der pragmatische Zugang der USA, die sich prinzipiell mit einem iranischen Atomprogramm abgefunden haben, verstört Verbündete wie Israel und Saudi-Arabien. Aber das Vorrücken der Jihadisten des Islamischen Staats (IS) im Irak im Juni kam wie eine Bestätigung, dass die US-Versuche sinnvoll sind, die größte Barriere wegzuräumen, die verhindert, dass die Interessenüberschneidungen zwischen Teheran und Washington regionalpolitisch genützt werden können. Die gemeinsamen Interessen – gemeinsame Feinde – gab es zwar bereits 2001 beim Krieg gegen die Taliban und Al-Kaida in Afghanistan und 2003 beim Krieg gegen Saddam Hussein im Irak. Aber damals hat man nichts daraus gemacht, im Gegenteil.

Manche westliche Beobachter fürchten nun das, was manche iranische Beobachter hoffen: dass die USA heute bereit sind, Teheran weiter entgegenzukommen, als sie es vor der IS-Offensive wollten. Wenn sich diese Bereitschaft darin äußert, die Anreize für den Iran zu erhöhen - von Brennstoffgarantie für iranische Kraftwerke bis zur Forschungszusammenarbeit -, warum nicht? Aber am technischen Grundproblem ändert das nichts. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 3.7.2014)