Erinnerungen an eine recht wilde Zeit: Rennfahrer Jackie Stewart (li.) und Regisseur Roman Polanski im Streifen "Weekend of a Champion". Ab 4. 7. im Kino.

Foto: R. P. Productions

Wien - Wenn der ehemaligen Formel-1-Weltmeister Jackie Stewart heute auf die Höhepunkte seiner Karriere zurückblickt, würde er sich am liebsten nachträglich zum Friseur schicken. "Oh, God, he needs a haircut", entfährt es ihm, als er gemeinsam mit Roman Polanski Bilder von einem Wochenende in Monaco im Jahr 1971 anschaut. Sie sitzen in der gleichen Suite, in der Stewart damals auch abgestiegen war. Und sie schauen sich einen Film aus dem Jahr 1972 an: Weekend of a Champion. Vier Tage rund um den legendären Grand Prix auf dem Stadtkurs des Fürstentums an der Côte d'Azur. Vier Tage aus einer Ära des Motorsports, die man sich heute kaum mehr vorstellen kann: ein Bewerb für tollkühne Männer in abfliegenden Kisten. Und alle diese Männer trugen Koteletten praktisch bis zur Schulter.

Roman Polanski war damals der Produzent des Films, bei dem Patrick Simon Regie führte. Für Polanski bedeutete das, dass er vor der Kamera agieren konnte. Er fährt mit Jackie Stewart einmal den Kurs ab, es regnet Schusterbuben, im Tunnel ist es finster wie in einem Bergwerk im Donbass, in der Haarnadelkurve kommt das Auto fast zum Stehen. Wenig später wird der Kurs noch einmal abgefahren: dieses Mal mit einem Stück Butter auf der Stoffserviette im Hotel, auf die Jackie Stewart ihn gezeichnet hat, um sich ein paar wichtige Dinge einzuprägen. Er sitzt da mit nacktem Oberkörper und in Unterhose, und erzählt davon, dass er schlecht schläft. Auch die Ruhe eines Champions ist mit Stress erkauft. Als dann sein Leibarzt ein kurzes Statement abgibt, verstärkt sich der Eindruck des Surrealen, der von diesen Bildern ausgeht. Er wirkt, als wäre er frisch vom Polo abgeworben, und spricht in der allerabstraktesten Weise von Rettungsmaßnahmen, die vor der Ankunft der Sanitäter zu treffen wären.

Sein Kommentar wirkt umso mehr wie Heilzauber, als die ganze Zeit Männer durchs Bild huschen oder vom Gentleman-Ansager erwähnt werden, von denen wir wissen, dass sie die Formel 1 nicht überlebt haben. François Cevert, Ronnie Peterson, Jochen Rindt (über den seine Witwe Nina spricht) oder Graham Hill, der allerdings bei einem Flugzeugabsturz starb. Hill mit seinem Schnurrbart wirkt wie ein Patrizier neben dem ehemaligen Mechaniker Jackie Stewart, der in dem rückblickenden Interview, das Polanski für die Wiederaufführung von Weekend of a Champion gedreht hat, eingesteht, dass er damals nicht einmal richtig lesen konnte. Aber er wusste, wie man ein "aufgebrachtes" Auto ("the car was upset") wieder "zurückholte", wie man es wieder in Kontakt mit der Straße brachte.

Jackie Stewart gewann an diesem Wochenende im Jahr 1971 den Grand Prix von Monaco, der durch schlechtes Wetter geprägt war. Beim abendlichen Bankett saß Catherine Deneuve an seiner Seite, ein paar Teller weiter grinste Ringo Starr in die Kamera. Das alles kann man in Weekend of a Champion sehen, einem Dokumentarfilm, in dem Roman Polanski seiner Leidenschaft für den Motorsport ein Denkmal setzte, indem er Jackie Stewart ein Denkmal setzte. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 2.7.2014)