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Premierminister Abe präsentierte bei seiner Pressekonferenz am Dienstag ein mögliches Bedrohungsszenario

Foto: REUTERS/Yuya Shino

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Anti-Kriegs-Demo vor Premier Abes Wohnung

Foto: AP Photo/Eugene Hoshiko

Tokio - Japan weitet die Rolle seines Militärs aus. Das Regierungskabinett beschloss am Dienstag eine Neuinterpretation der pazifistischen Nachkriegsverfassung. Künftig soll Japan sich auf ein Recht auf kollektive Selbstverteidigung berufen können. Das bedeutet, dass Japan in Konflikten an der Seite von Verbündeten wie den USA kämpfen kann, selbst wenn das eigene Land nicht direkt angegriffen wird.

Als hypothetisches Einsatzbeispiel nannte Abe einen nordkoreanischen Raketenangriff gegen US-Streitkräfte auf der Pazifikinsel Guam. Eine solche Rakete könne künftig beim Passieren des japanischen Luftraums abgeschossen werden - was bisher verboten gewesen wäre. Eine derart enge Auslegung des Verfassungsartikels 9 bezweifeln Abes Gegner aber.

Kritik aus China und Südkorea

China hat Japans Neuinterpretation der pazifistischen Nachkriegsverfassung kritisiert. Japan müsse die Sicherheitsinteressen seiner Nachbarn achten, forderte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Hong Lei, am Dienstag.

"Japan stellt aus innenpolitischen Gründen China als Gefahr dar. Dem widersprechen wir", sagte Hong Lei. Eine Mehrheit der Bevölkerung sei gegen die Abkehr von der pazifistischen Verfassung. "Die japanische Bevölkerung sollte über Japans Entwicklung entscheiden können", sagte Hong Lei.

Auch Südkorea wirft der Abe seit langem vor, Japan remilitarisieren zu wollen. Dieses Misstrauen hat auch einen historischen Hintergrund: Japan hielt während des Zweiten Weltkriegs große Teile Koreas und Chinas sowie mehrere Länder Südostasiens besetzt.

Tausende Menschen protestierten am Montag in Tokio gegen die Pläne der japanischen Regierung protestiert, den Weg für Auslandseinsätze der Armee frei zu machen.

Versuchte Selbstverbrennung

In Tokio übergoss sich sich ein Mann zum Zeichen des Protests gegen die geplante Änderung der Sicherheitspolitik mit Benzin und zündete sich an. Er wurde mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht.  Ministerpräsident Shinzo Abe will eine Abkehr von jenen Festlegungen der Verfassung, die seit dem 2. Weltkrieg entsprechende Kampfeinsätze verbieten.

Am Vorabend der Kabinettssitzung, auf der die Neuinterpretation der Verfassung beschlossen werden soll, versammelten sich die Gegner vor Abes Büro. Nach Angaben der Organisatoren beteiligten 10.000 Menschen an der Demonstration. Auf Transparenten hieß es: "Wir wollen unsere Kinder und Soldaten nicht sterben sehen" und "Schützt unsere Verfassung".

Einer Umfrage der Wirtschaftszeitung "Nikkei" zufolge sind die Hälfte der Bürger dagegen, die Beschränkungen für Einsätze der Armee aufzuheben, und 34 Prozent dafür. Die japanische Verfassung war nach dem 2. Weltkrieg von der Siegermacht USA entworfen worden. Die japanischen Streitkräfte dürfen danach nur zur Selbstverteidigung eingesetzt werden.

Auch Waffenexporte erlaubt

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die US-Besatzer in Japans Verfassung den grundsätzlichen Verzicht auf jegliche "Androhung oder Anwendung von Gewalt zur Lösung internationaler Konflikte" festschreiben lassen.

Das Friedensgebot der Verfassung wurde seinerzeit von der Bevölkerung größtenteils befürwortet und mündete 1967 in einem Verbot für Waffenexporte. Schon derartige Ausfuhren ließ Abes Regierung vor drei Monaten erlauben, sofern diese "zum Frieden beitragen" und dem Prinzip des "proaktiven Pazifismus" dienen. (red/APA, 1.7.2014)