Graz - Was hier im Keller jenes Altbaues im Grazer "Nobelbezirk" Geidorf, am Fuße des Schlossberges, in der Nacht des 22. Juni wirklich passiert ist, bleibt auch den Ermittlern vorerst noch weitgehend verborgen. "Wir haben noch kein Gesamtbild", heißt es in der Staatsanwaltschaft Graz.

Zweifelsfrei steht bis dato nur fest: Ein 16-Jähriger wurde hier ermordet, ein 14 Jahre altes Mädchen vergewaltigt. Der mutmaßliche, 16 Jahre alte Täter gibt an, er sei von seinem Freund, dem späteren Opfer, unter Waffengewalt gezwungen worden, das Mädchen zu vergewaltigen, er habe den Freund daraufhin aus Rache mit einem Gewehr seines Großvaters getötet. Dieser soll ihm bei der Beseitigung der Leiche in Rabafüzes im ungarischen Grenzbereich geholfen haben. Beide sitzen in Graz in U-Haft. Das traumatisierte Mädchen wird derzeit in der Grazer Nervenklinik Sigmund Freud behandelt, sie konnte noch nicht einvernommen werden.

Ob auch die Mutter des mutmaßlichen Täters an der Vertuschung beteiligt war, wird derzeit noch untersucht, sie kurte in Bad Vöslau, wo ihr Sohn verhaftet wurde. In ihrem Auto soll die Leiche transportiert worden sein. Dass Drogen im Spiel waren, will die Staatsanwaltschaft nicht bestätigen.

"Horror-Kindergarten"

Der mysteriöse Mordfall in diesem gutbürgerlichen, mehrstöckigen Haus am Grazer Murufer lenkt den Blick nun auch auf jenen im Haus untergebrachten "Horror-Kindergarten" - wie er von Eltern genannt wurde -, der vor fünf Jahren für Aufregung gesorgt hatte. Die Mutter des jetzt des Mordes verdächtigten Jugendlichen führte hier im Erdgeschoß eine Kinderkrippe, im zweiten Stock einen Privatkindergarten. "Es passierten ungeheuerliche Dinge", schildert eine Mutter (Name der Redaktion bekannt) die damalige Situation im Kindergarten. "Ein totes Meerschweinchen lag im Kindergartenareal, es wurde mit Bleistiften zu Tode gequält. Die Kinder sind mit Schrauben und Steinen beworfen worden."

Daraufhin hätten die Eltern die zuständige Landesaufsichtsbehörde alarmiert, Kindergartenpädagoginnen hätten ob der Zustände die Flucht ergriffen.

Für die Eltern sei klar gewesen, dass der jetzt in U-Haft sitzende Sohn der Kindergartenbetreiberin dahinterstecke. "Er ging hier in den Kindergarten und kam später, als er schon Jugendlicher war, immer wieder hierher. Er hatte, wie auch sein Großvater, immer Zugang." Er sei schon damals "sehr, sehr verhaltensauffällig" gewesen, was auch den Behörden mitgeteilt worden sei. Mutter und Großvater hätten ihn aber stets gedeckt. Als ruchbar wurde, dass er Bogenschießunterricht bekomme, "haben viele ihre Kinder aus dem Kindergarten genommen."

Kritik an Landesaufsicht

Ein Vater, der ebenfalls anonym bleiben möchte, ist noch heute "fuchsteufelswild", weil die Landesbehörde auch auf permanente Hinweise der Eltern nicht wirklich reagiert habe: "Man hat uns sogar bedroht, wir sollen keine falschen Behauptungen in den Raum stellen. Dabei gab es so deutliche Hinweise, dass in diesem Haus etwas nicht stimmt. Wir sind ja auch draufgekommen, dass die Kindergartenpädagoginnen oft stundenlang im Regen in der Stadt mit den Kindern spazieren waren, weil sie Angst vor der Kindergarteninhaberin und dem Großvater hatten. Wir haben das Land darauf hingewiesen, dass Gefahr im Verzug ist. Man hätte der Familie schon viel früher psychologisch helfen können." Es sei aber lediglich der Gartenbereich gesperrt worden.

Im Büro des heute zuständigen Jugendlandesrates Michael Schickhofer (SPÖ) zeigt man sich etwas ratlos. Die Vorfälle lägen schon Jahre zurück, der Fall lasse sich nur noch schwer nachvollziehen. Es habe aber ohnehin Kontrollen gegeben.

Der Kindergarten ist nach wie vor in Betrieb. Ein privater Verein hat sich 2010 eingemietet. Der Geschäftsführer erinnert sich: "Die Vorfälle haben sofort aufgehört, als wir gekommen sind. Es ist schon ein mulmiges Gefühl, wenn man bedenkt, was hier im Keller passiert ist. Aber die Kinder wissen davon Gott sei Dank nichts." (Walter Müller, DER STANDARD, 1.7.2014)